1849 -
Halberstadt
: Frantz
- Autor: Günther, Friedrich Joachim
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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ratheten selten vor dem dreißigsten Jahre, brachten dem Manne
keine Mitgift mit, wollten bloß ihrer Tugend und Schönheit we-
gen gewählt werden, ja mussten von dem Vormunde (Vater oder
Bruder) gegen ein gewisses Kaufgeld erworben werden und beka-
men beim Anfänge der Ehe eine Morgengabe. Unkeusche Jung-
frauen oder Ehebrecherinnen wurden meistens getödtet. Jede Be-
leidigung einer Frau wurde dreimal, oft neunmal so hoch gebüßt,
als die eines Mannes. Wegen ihrer Keuschheit, Schönheit, Fröm-
migkeit genossen die Frauen hohe Verehrung. Die Treue derselben
war so stark, daß sie sich bei der Leiche des Mannes gewöhnlich
selbst tödteten. Viele Kinder galten für eine hohe Ehre; die Ha-
gestolzen waren verachtet. Nur gesunde Kinder ließ man leben,
schwächliche wurden sogleich getödtet. Bei der Geburt wurden die
Kinder ins Wasser getaucht, nachher streng und mäßig erzogen,
halbnackt abgehärtet, in Leibes- und Waffenübungen unterrichtet
und zur Kunst des Gesanges angehalten. Jünglinge übten sich
erst auf der Jagd, gingen dann auf die Wanderschaft, lernten die
Welt kennen und reiften da zu Helden heran. Die Männer trie-
den nur Staatsgeschä'fte, Krieg oder Jagd, tranken viel und oft,
liebten das Würfelspiel mit Leidenschaft (verspielten sogar ihre Frei-
heit) und überließen das ganze Hauswesen, den Ackerbau, die Vieh-
zucht u. s. w. der Hausmutter. Alte, schwächliche Leute tödteten
sich oft selbst. Die Todten wurden überhaupt auf einem Scheiter-
haufen mit den ihnen liebsten Thieren verbrannt und die Asche mit
Waffen, Ringen k. in Krügen beigesetzt. Auf die Bekleidung und
Bewaffnung ihres Körpers verwandten sie den größten Fleiß. Die
Helden schmiedeten ihre Waffen selbst, die Frauen webten ihre und
der Ihrigen Kleider auch selbst. Ost zeigte sich hiebei große Kunst-
fertigkeit und viel Geschmack. Die höchste Kunst der Männer war
die Waffen-, der Frauen die Zauberkunst. Aus letzterer gingen
ihre Buchstaben (zusammengeworfene kleine Holzstäbchen von abge-
brochenen Zweigen), Runen genannt, hervor. Sie wurden in
Stein gehauen oder in Holz geschnitten.
Der Deutsche hatte ein Streben nach Gemeinsamkeit. Daher
die vielerlei Genossenschaften. Mehrere Stammgüter, deren Besitzer
sich über die gemeinsame Benutzung von Weg und Steg, Wasser,