1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
Otto der Reiche.
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im Jahre 1185 mit seinen Vasallen eine berathende Versammlung
(Landgemeinde oder Landtag) zu Culwitz (d. i. Kolm am Kolmberg
oder auf diesem selbst) hielt.
Wie wohlthätig nun auch die Anstalten waren, welche Otto
für sein Land traf, so fand er doch bei seinen Zeitgenossen nicht die
Anerkennung und Dankbarkeit, die er wohl verdient hätte. Nament-
lich mußte er von seinem ältesten Sohne die tiefsten und bittersten
Kränkungen erfahren, die auch sein Lebensende herbeiführten. Seine
Gemahlin Hedwig hatte ihm, außer zwei Töchtern*), zwei Söhne
geboren: Al brecht, welcher den Namen des „Hoffärtigen" oder des
„Stolzen" erhalten, und Dietrich, der gewöhnlich der „Bedrängte",
zuweilen auch der „Elende" oder der „Vertriebene" beigenannt wird.
Gleich seinem Vater Konrad verfügte Otto auf den Todesfall noch
bei Lebzeiten über seine Länder und bestimmte für den älteren Sohn,
Albrecht, die Mark Meißen, während der jüngere, Dietrich, die
erkaufte Herrschaft Weißenfelö nebst andern Burgen und Gütern in
Thüringen zugctheilt erhielt. Doch seine Gemahlin Hedwig, deren
Liebling der jüngere Sohn war, fand an dieser nach dem damaligen
Rechte ganz richtigen Theilung Mißfallen und bot alle Künste der
Ueberredung auf,' um ihren Gemahl dahin zu bewegen, daß er diese
Bestimmung wieder umstieß. Es gelang ihr Solches auch, und nun
verfügte der alte Markgraf, daß Meißen sammt der Markgrafenwürde
an Dietrich kommen, Albrecht dagegen die bei Weitem kleineren
Besitzungen von Weißensels re. erhalten sollte. Doch Otto mußte
diese Nachgiebigkeit gegen seine Gemahlin schwer büßen. Denn
Asbrccht, über diese ihm nachtheilige Aenderung des Testaments
höchst erzürnt, begann auf Anrathen mehrer seiner Freunde (darunter
auch der Bruder seiner Mutter, der Herzog Bernhard von Sachsen
sich befand, der ihm seinen Beistand zusicherte) einen förmlichen Krieg
gegen den alten Vater, und der Ausgang dieses unnatürlichen Kam-
pfes war, daß Albrecht seinen tief gekränkten Vater im Jahre 1188
gefangen nahm und ihn auf der Veste Dewin (Döben bei Grimma)
sestsetzte, wo er ihn durch den Burggrafen und noch andere Freunde
auf das Strengste bewachen ließ. So mußte denn der greise Mark-
graf in dem Zeiträume von sechs Jahren zum zweiten Male hinter
düstcrn Kerkermauern seufzen und schmachten, und dießmal durch die
rohe Gewalt des eigenen Sohnes! Inzwischen wurde das meißner
Land durch Einfälle der diesen oder jenen Theil Begünstigenden beun-
ruhigt. Der unglückliche Vater wandte sich an seinen hohen Gönner,
den Kaiser Friedrich 1., und dieser, über Albrccht's That sehr un-
willig, gab demselben, bei Verlust seiner Gnade, den Befehl, den ge-
fangenen Vater freizulassen, ermahnte aber zugleich den Vater, daß
er seinen Schmerz überwinden und seinen Sohn wieder zu Gnaden
annehmen möchte.
*) Adela, an den Herzog Ottokar von Böhmen vermählt, der sie im I.
120l verstieß, worauf sie bis zu ihrem Tode (1211) als Nonne im Kloster zu
Meißen lebte, und Sophie, erst an den Herzog Ulrich von Böhmen und dann
an den Burggrafen Friedrich von Nürnberg vermählt.
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