1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
72
Friedrich der Streitbare.
Günther von Schwarz bürg, vermählt und ließ sich von Beiden
sklavisch leiten. Graf Günther maßte sich an, die Regierung in
Thüringen nach eigenem Sinn und Vortheil zu leiten, ging heimliche
Bündnisse ein, welche die Zersplitterung der schönen thüringischen Be-
sitzungen an Mainz, Böhmen und Hessen zum Ziele hatten, suchte
auch unter der Hand manch schönes Stück Land durch Tausch, Kauf
oder Geschenk an sich zu bringen, und mochte bei der kinderlosen Ehe
seines Eidams nicht übel Lust haben, einst die ganze Verlassenschaft
an sich zu ziehen. Nachdem die osterländischen Vettern diesem Unwesen
fünf Jahre lang zugesehen, konnten sie es nicht länger ertragen. Im
I. 1412 brachen daher Friedrich der Streitbare und sein Bru-.
der Wilhelm mit einem Heere in Thüringen ein, nahmen Gotha
und Eisenach mit leichter Mühe ein und nöthigten auf der Wartburg
dem Landgrafen Friedrich das Versprechen ab, sich in Allem nach
ihrem Willen zu richten und nichts Wichtiges in der Regierung ohne
ihre Einwilligung zu vollziehen. Graf Günther aber, der sich so
leicht nicht fügen und die Aufmerksamkeit der meißnischen Fürsten von
sich ablenkcn wollte, hatte einen ihnen feindlich gesinnten unruhigen
Kopf, Namens Friedrich v o n Heldrungen, gewonnen, welcher in
der Eile allerhand Verdorbene vom Adel, Buschklepper und einen Hau-
sen Drescher, Pflüger und Holzhauer, mit Flegeln bewaffnet, zusam-
mengerafft hatte und raubend, mordend und brennend das Land durch-
streichen mußte. Als dieser Fleglcrcommandant den alten Grafen Ul-
rich von Hohenstein auf seinem Schlosse nächtlich überfallen und
gefangen genommen hatte, führte Friedrich der Streitbare sein
Schwert hegen diese Aufrührerbande, besiegte und bestrafte sie nach
kurzem Kriege, eroberte Heldrungen und Wiche und übergab beide Orte
dem Grafen von Hohenstein gegen Kelbra und einige im Anhaltischen
liegende Pfandschaftcn in Besitz.
Mitten aus dieser unerquicklichen Zeit des Kampfes und der Un-
ruhe leuchtet eine Thatsachc hervor, welche uns bezeugt, daß der kräf-
tige Friedrich, den die Nachwelt von seinen Waffenthaten als den
Streitbaren bezeichnet hat, nicht bloß Sinn hatte für Schwert und
Lanze, sondern daß sein hoher Geist auch der Kunst und Wissenschaft
hold war, und daß er gar wohl erkannte, wie die Größe und das
Glück eines Volkes auch durch geistige Bildung begründet und geför-
dert werden müsse. Diese erfreuliche Thatsache ist die durch Fried-
rich im I. 1409 (d. 2. Decbr.) bewirkte Gründung der Univer-
sität Leipzig, wodurch sich der große Fürst ein ebenso heiliges als
unbezweifeltes Anrecht auf achtungsvolle Dankbarkeit aller Sachsen er-
worben hat. Schon längere Zeit hatte Fri e drich mit seinem Bruder-
Wilhelm den Gedanken genährt, nach dem Muster der Hochschule
von Prag und Paris eine Universität zu Leipzig zu stiften, damit seine
Landeskinder, die Studien halber bis nach Paris und Bologna sich
wendeten, nicht mehr in so entlegener Ferne den Sitz der Wissenschaft
zu suchen hätten. Da fügte es sich im gedachten Jahre, daß gewisse
Händel, die an der Universität Prag ausgebrochcn, und in Folge deren
alle Vorrechte der deutschen Studirenden aufgehoben worden waren,