1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
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Friedrich der Sanstmüthige.
sowie ein anderer von Wilhelm's Gehermräthen, Friedrich von
Witzleben, verschwanden vom Schauplatze. Da nun die bösen Räthe
nicht mehr den Herzog verblendeten, so ward er zur Versöhnung mit
seinem Bruder um so geneigter. •
Gewiß wirkte dazu auch die Mittheilung von zwei edlen Charakter-
zügen seines Bruders, des Kurfürsten Friedrich. Als nämlich dieser bei
der Belagerung von Gera eine mit Geschütz besetzte Schanze in der Nähe
des herzoglichen Lagers inne hatte, von wo aus man den Herzog
Wilhelm im Lager unbesorgt umhergehen und Anordnungen treffen
sah, sagte der Feldhauptmann Harras zu ihm: „Es ist ein gar ge-
schickter Büchsenmeister bei uns in der Schanze, der konnte mit einem
einzigen Schuß aus einer Feldschlange (Kanone) dem ganzen Krieg ein
Ende machen, denn er würde gewiß den Herzog wohl treffen!" Da
sprach der Kurfürst, indem er den Rathgeber mit strengem Blicke an-
schaucte: „Harras und ihr'alle! Vergeht es nicht, daß der Herzog
mein Bruder ist!"— Ebenso hatte sich ein bewährter Büchsenmeister
Zutritt beim Kurfürsten verschafft und bei ihm angefragt, ob der Kur-
fürst nicht wünsche, daß er durch einen glücklichen Schuß einen von
den feindlichen Heerführern aus dem Wege räumen sollte? Da
schüttelte der Kurfürst heftig den Kopf und rief mit .bittendem Ernste:
„Schieß, wen du willst, nur triff meinen Bruder nicht!" Als
dem Herzog Wilhelm diese brüderlichen Aeußerungcn zu Ohren ge-
kommen, soll er bis' zu Thränen gerührt worden sein. Angesichts der
beiden Heere versöhnten und umarmten sich die bisher feindlich getrenn-
ten Brüder am t8. Oct. 1450. Aus die dringende Forderung des
Kaisers kam dann im I. 1451 durch den Frieden zu Pforta (27.
Januar) die vollständige Aussöhnung zu Stande, und cs ward seit-
dem das gute Vernehmen zwischen den fürstlichen Brüdern nie wie-
der gestört.
Der zornige und rauhe Herzog Wilhelm war an die kaiserliche
Prinzessin Anna (Tochter K. Albrecht's Ii.) vermählt. Dieses zarte
Wesen ward von ihm nicht geliebt, sondern, zumal da er gegen die
schöne Wittwe des fränkischen Edelmanns von Heßberg, eine ge-
borne Katharina von Br an den ft ein, entbrannt war, von ihm
vernachlässigt und zuletzt auf das Schloß Eckartsberga verbannt, wo
er sie bis zu ihrem Tode (1462) gleich einer Gefangenen bewachen
ließ. Hierauf heirathete er die schöne Katharina von Branden-
stein und starb in seiner Residenz Weimar den 17. Sept. 1482. Sein
Leben war voll Unruhe; fast keinen Krieg gab es in jener Zeit, an
dem er nicht Theil genommen hätte. Er heißt „der Tapfere" und jtand
wegen dieser Eigenschaft int ganzen Reiche in nicht geringem Ansehen,
daher in Bezug auf ihn das Sprichwort entstand: „Wenn Herzog
Wilhelm seine Sporen anlegt und damit über den Hof zu Weimar
geht, so hört man ihn über ganz Thüringen." Man fügte zugleich
hinzu, daß der sich wohl vorzusehen habe, der ihm zur Anlegung der
Sporen Ursache gegeben.
Im Gegensätze zu seinem Bruder lebte der Kurfürst Friedrich
der Sanstmüthige in den glücklichsten ehelichen und häuslichen