1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
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Moritz.
Anderen auch der genannte Herzog von Mecklenburg in ihre Gefangen-
schaft gerieth. Ohne die einzelnen Vorgänge bei dieser Belagerung
aufzuzählen, bemerken wir nur, daß sich dieselbe 13 ganze Monate
hinzog. Obschon Magdeburg sehr fest war, so hätte doch die Einnahme
'in viel kürzerer Zeit bewerkstelligt werden können, wenn cs nicht in
dem Plane des Kurfürsten Moritz gelegen hätte, unterdessen Zeit und
Mittel zum Sturze des Kaisers zu gewinnen. Um nämlich dieses sowie
die Befreiung seines Schwiegervaters durchführen zu können, leitete
Moritz inzwischen ein Bündniß mit mehren deutschen Fürsten ein,
insbesondere mit dem jungen Landgrafen Wilhelm von Hessen,
dem Markgrafen Johann von Brandenburg und dem Herzog
Johann Al brecht von Mecklenburg, sowie selbst mit dem Könige
von Frankreich Heinrich Ii. Der beim Kaiser Alles geltende Mi-
nister Cardinal Granvella hatte zwar eine geringe Meinung von
der Deutschen und somit auch von Moritzens Klugheit, indem er
sogar sagte, „die tollen und vollen Deutschen könnten keinen Plan
entwerfen, den er nicht sofort einsehen und vereiteln wolle," und er
hatte daher, durch die lange Dauer der Belagerung und durch das
viele Hin- und Herreisen des Kurfürsten während derselben in seinem
Argwohne bestärkt, dem Letzteren in einem kaiserlichen Commissarius,
dem Obersten Lazarus Sch wen di, einen Kundschafter an die Seite
gestellt, der Anweisung erhalten hatte, alle Schritte desselben genau zu
beobachten und von Zeit zu Zeit darüber Bericht an den kaiserlichen
Hof zu erstatten. Doch Moritz, der diesen Kundschafter durchschaute,
wußte sich klüglich zu halten. Uebrigens hatte der gefangene Herzog
Georg von Mecklenburg die Magdeburger allmälig mit dein eigent-
lichen Plane Moritz ens vertraut gemacht und sic wissen lassen, wes-
sen sie sich von ihm zu versehen hätten. Als cs daher der Kurfürst
für gut befand, drängte er endlich zur Uebergabe der Stadt, die denn
auch vom 6. bis 9. November 1551 unter Bedingungen erfolgte, welche
für eine geächtete Stadt als äußerst gclind erscheinen mußten. Nicht
einmal die Festungswerke ließ Moritz abtragen, angeblich der Türken
wegen (ihm konnten sie natürlich auch noch einmal nützlich werden!).
Magdeburg gehörte selbstverständlich sofort zu den geheimen Verbünde-
ten Moritzens. Das auf 2000 Mann Fußvolk und 130 Reiter
sich belaufende Kriegsvolk der Stadt ward, nachdem es am 8. Novbr.
abgelöhnt und abgezogen war, vom Herzog Georg von Mecklenburg
wieder in Dienst genommen, was gleichviel war, als wäre es in des
Kurfürsten Dienste getreten.
Da die Jahreszeit bereits zu weit vorgerückt war, als daß Moritz
zu einer Unternehmung hätte schreiten und mit seinen wahren Gesin-
nungen hervortreten können, so mußte ihm jetzt Alles daran liegen,
das Gewebe von Täuschungen so viel als möglich fortzusetzen und den
etwa auftauchenden Argwohn des Kaisers thunlichst zu beschwichtigen,
was ihm auch vollständig gelang. Karl V. wurde zwar vielfältig
vor Moritz gewarnt, namentlich von mehren geistlichen Kurfürsten;
doch traute er weder den „tollen" Deutschen so umfängliche List, noch
dem von ihm erhöheten Moritz solchen Undank zu und wies jeden