1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
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Christian Ii.
meuchlings gelobtet worden, indem eine Kugel auf ihn abgefeuert ward,
die aber glücklich an seinem Kopfe vorübersauste. Die beiden ergriffenen
Verbrecher, ein gewisser Heinrich aus Magdeburg und Wenzel aus
Bitterfeld, welche vom Kanzler Biedermann und Obristlieutenant
von Dünau, beiderseits in anhalt-dessauischen Diensten, in welchem
Lande der Calvinismus um sich gegriffen, zum Morde des Kurfürsten
angeblich gedungen waren, wurden als gefährliche Straßenräuber er-
kannt und am 29. Jan. 1605 zu Dresden hingerichtet, während die
genannten fürstlichen Diener im Gefängniß starben. — Auch schon im
vorhergehenden Jahre war der Kurfürst mit seinem Bruder in noch
größerer Lebensgefahr gewesen. Als nämlich das fürstliche Brüderpaar
am Abend des 23. Juni 1602 auf einem Schiffe von Sonnenstein
nach Dresden zurückkehrte, geriethen die zu einem Feuerwerke mitge-
nommenen Requisiten unversehens in Brand. Während der Herzog
Johann Georg von der Gewalt des Pulvers über Bord in die
Elbe geschleudert ward, brannte mit einem Male der Kurfürst am gan-
zen Körper, worauf das ganze Schiff in Brand gerietst. Durch den
Muth eines Schiffers, Jacob Zeibig's aus Söbrigen bei Pillnitz,
wurde indessen der Herzog gerettet, sowie auch der Kurfürst von seinen
bedeutenden Brandwunden im Gesichte und am übrigen Körper, obschon
erst nach längerer Zeit, genas. Nehmen wir nun dazu, daß der jüngste
Bruder des Kurfürsten, Herzog August, der sich damals auf der Uni-
versität Wittenberg aufhielt, merkwürdiger Weise an demselben Tage
beim Baden gleichfalls einer augenscheinlichen Lebensgefahr entging,
und bedenken, wie demnach dieser einzige Tag die ganze albertinische
Linie hätte verlöschen können, so können wir nicht anders, als den
über unserm Fürftenhause waltenden Schutz der göttlichen Vorsehung
dankbar verehren.
Als im I. 1609 der herzogliche Stamm von Jülich, Cleve
und Berg ausgestorben war, hatte aus diesen schönen, von 1 Million
wohlhabender und thätiger Menschen bewohnten Länderverband diesseit
und jenseit des Rheines, zu welchem außer den 3 Herzogthümern noch
die beiden Grafschaften Mark und Ravensberg, sowie die Herrschaft
Ravenstein gehörten, Sachsen in seinen beiden Linien das nächste
Anrecht.*) Allein nun traten Johann Sigismund, Kurfürst von
Brandenburg, Philipp Ludwig, Psalzgraf von Neuburg, und
außerdem der Markgraf Karl von Burgau und der Psalzgraf Jo-
hann von Zw ei brücken auf und machten Ansprüche, indem sie ent-
weder mit Schwestern oder Schwestertöchtern des letztverstorbenen Herzogs
*) Nicht genug, daß Alb recht der Beherzte 1483 vom Kaiser Fried-
rich lll. für seine ihm geleisteten Dienste und die dabei aufgewendeten bedeutenden
Summen die Anwartschaft aut dieselben erhalten hatte lwelcke 1486 und 1495 wegen
Kurfürst Ern st's Bemühungen um Marimilian's Königswahl auch auf die
ernestinische Linie ausgedehnt ward), so war auch bei der Vermahlung des Kur-
fürsten Johann Friedrich mit der Prinzesstn Sibylla von Cleve <1526)
bestimmt und später (1544) vom Kaiser bestätigt worden, daß das Herzvgthum Cleve
ic. nach Aussterben des cleve'schen Mannsstammes auf den Kurfürsten und seine
Nachkommen übergehen sollte. Dieser Fall war nun eingetreten.