1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
Kurfürst Friedrich August 1.
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Durch den Einfluß des Kaisers sowie durch Aufwendung nam-
hafter Summen an die ihre Stimmen förmlich verkaufenden Adeligen
und Geistlichen Polens gelang cs, die übrigen Bewerber um die pol-
nische Krone (darunter ein Verwandter Ludwig's Xiv., der Prinz Franz
Ludwig von Conti, den meisten Anklang bei den Polen gefunden
hatte) zu überwinden. Am 17.Juni 1697 wurde der Kurfürst Fried-
rich August I. von Sachsen von der Mehrzahl des polnischen Adels
auf dem Wahlplatze zu Wola als August 11.*) zum König von
Polen ausgerufen, nachdem er das letzte Hinderniß dieser Wahl be-
seitigt und, da bloß ein Katholik zuin König von Polen erwählt wer-
den konnte, in der Pfingstwoche d. I. (1. Juni) zu Baden unweit
Wien zur katholischen Kirche übergetreten war. Was diesen Ueber-
tritt anlangt, so blieb die Gemahlin Friedrich August's (sowie
seine damals noch lebende Mutter) protestantisch, kam nie nach Polen,
sondern lebte, getrennt von ihrem Gemahl, zu Pretzsch bei Wittenberg
bis zu ihrem am 4. Sept. 1727 plötzlich erfolgten Tode. Die durch
diesen Ucbertritt erregten Besorgnisse seiner sächsischen Unterthanen aber
beseitigte der Kurfürst durch die feierliche Erklärung, welche er von
Loboskowa aus unter dem 27. Juli 1697 an seine Landstände und
Unterthanen ertheilte, daß er zwar für seine Person den römisch-aposto-
lisch-katholischen Glauben auf- und angenommen habe, „daß er aber die
Landstände und sämmtliche Unterthanen bei dero augsburgischen Con-
sesston, hergebrachten Gewissensfreiheit, Kirchen, Gottesdienst, Ccremo-
uien, Universitäten, Schulen und anderen Gerechtigkeiten, wie die-
selben solche anjetzo besitzen, kräftigst erhalten und handhaben, auch Nie-
manden zu der jetzt angenommenen katholischen Religion zwingen, son-
dern einen jedweden sein Gewissen frei lassen" werde. Friedrich
August hielt dieses Versprechen getreulich und hat sich stets von jeder
falschen Einmischung in Religionssachen ferngehalten. Seine Religions-
Veränderung hatte auf seine sächsischen Unterthanen so wenig Einfluß,
daß er anfangs den Katholiken zu Dresden nicht einmal ein Haus
zum Gottesdienste einräumen wollte, bis ihnen erst 1708 das Opern-
haus dazu angewiesen wurde.
Die Religionssachen im Kurfürstenthum übergab Friedrich Äu-
gst st dem Director des evangelischen Geheimenraths und den Geheimen-
räthen, das Directorium in Kirchen- und Religionsangelegenheiten so-
wohl im Kurfürstenthum als außerhalb desselben (auch auf den Reichs-
tagen) wurde dem Herzog Friedrich Ii. von Gotha unter Zuziehung
des Geheimcnraths übertragen, mit Vorbehalt der von Friedrich
August zu besetzenden Stellen in den Consistorien und an den Uni-
versitäten. Im I. 1700 gab Herzog Friedrich von Gotha das Di-
rectorium wieder ab, und es übernahm nun dasselbe Herzog Johann
Georg von Sachsen-Weißenfels. Zum Statthalter von Sachsen
*) Diesen Namen führte er als König von Polen. Da aber in dem gegenwär-
tigen Werke nicht eine Geschichte Polens vorlicgt, so werden wir ihn, um Ver-
wechselungen und Mißverständnissen vorzubeugen, auch ferner als Friedrich Au-
gust I. bezeichnen.
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