1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
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Kurfürst Friedrich August I.
während der Abwesenheit Friedrich August's wurde der katholische
Fürst Anton Egon von Fürstend erg bestellt.
Am 5. Sept. 1697 (welcher im Calcnder den Namen „Hercules"
führt) wurde der „sächsische Hercules" zu Krakau mit einer unaus-
sprechlichen Pracht als König von Polen gekrönt. Unter einem
prächtigen Aufzuge durch die Stadt nahm der König Tags darauf die
Huldigung entgegen. Außer Schweden und Frankreich, welche die dahin
geschickten Gesandten zurückwiesen, wurde August von allen europäi-
schen Höfen anerkannt. Der bald darauf zu Danzig landende Prinz
Conti gab, als sofort die sächsischen Truppen gegen ihn hcrandrangen,
seine Hoffnung auf das Gelingen seiner Pläne auf und begab sich
sogleich wieder nach Hause. Auch söhnte sich Friedrich August, der
(am 2. Jan. 1698) mit leichter Mühe Warschau in Besitz genommen
hatte, allmählig mit der französisch gesinnten Partei im Lande aus und
wußte selbst den Primas des Reiches, Cardinal Radzicjowski,
welcher cs mit der Partei des französischen Prinzen Conti gehalten,
zu gewinnen.
Da die mehrfach crhöhetcn Steuern nicht ausreichtcn, um die
Summen zu decken, welche die Erwerbung, Erhaltung und der Glanz
der neuen Königskrone erheischte, so sah sich Friedrich August I.
genöthigt, zu einer Veräußerung mchrer kurfürstlichen Besitzungen,
Rechte und Ansprüche zu schreiten. Doch muß zur Milderung
dieses Schrittes bemerkt werden, daß die meisten davon streitig waren
und die sächsische Staatsmacht damals nicht ausreichte, deren Besitz zu
erringen, auch alle Kräfte zusammcngehaltcn werden mußten, um die
einmal so thcuer erkaufte Krone unter den Stürmen des gleich näher
zu bezeichnenden Krieges zu behaupten. «Die sächsischen Ansprüche auf
Lauenburg verkaufte Friedrich August an Braunschweig-Lüneburg
für 1,160,000 Gulden; die längst streitige Erbvoigtci über Quedlinburg
und 3 Aemtcr sammt dem Rcichsschulzenamt zu Nordhausen an Bran-
denburg für 300,000 Thlr., den albcrtinischen Antheil der Landcshohhcit
über Henneberg an den Herzog von Sachsen-Zeitz für 45,000 Thlr.,
das Amt Pctersberg (den letzten Rest der Stammgrafschaft Wettin) an
Brandenburg für 40,000 Thlr.) Uebrigens verpfändete er die Aemtcr
Borna, Gräscnhainichcn und Pforta, sowie den sächsischen Antheil der
Grafschaft Mansfeld; doch wurden diese 4 Verpfändungen später
wieder cingclöst.
So sah denn Friedrich August I. seinen Besitz um 12,000
Umcilcn mit 13 Millionen Seelen vermehrt. Doch knüpften sich
an sein Versprechen, das er dem polnischen Volke gethan, nämlich die
abgerissenen Theilc des polnischen Reiches wieder mit demselben zu
vereinigen, harte, schwere Kämpfe, deren unselige Folgen auch aus den
sächsischen Kurstaat zurückwirktcn. Schon im I. 1698 eröffnctc er zu
dem genannten Zwecke den Krieg gegen die Türkei. Nach dem
am 26. Jan. 1699 zu Carlo Witz abgeschlossenen Frieden, dessen so
vorthcilhafte Bedingungen Polen namentlich den Siegen des tapferen
Prinzen Eugen in Ungarn und der Vermittelung der Seemächte zu
danken hatte, mußte der Sultan nicht bloß die Ukraine, sondern auch