1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
Kurfürst Friedrich August H.
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wußte, nachdem er den vom Kurfürsten geliebten Cabinetsminister Grafen
Sulkowski mit Hülfe Oesterreichs und der Jesuiten gestürzt hatte, das
Vertrauen seines fürstlichen Herrn in dem Maße sich zu gewinnen,
daß dieser ihn fast unumschränkt walten ließ, wobei Brühl bemüht
war, Friedrich August Ii. von aller Kenntniß der Staatsangelegen-
heiten möglichst fern zu halten.*) Dieser allwaltende Minister war cs,
der Sachsen nicht nur in den österreichischen Erb so lg c krieg
verwickelte, sondern auch durch seine unheilvolle Politik im zweiten
schlesischen Kriege Ungeheuern Schaden brachte und endlich den für
Sachsen so verhängnisvollen siebenjährigen Krieg vorzugs-
weise herbeisührte.
Der erste Krieg nun, in welchen Sachsen verwickelt wurde, war
der sogenannte erste schlesische Krieg, in welchem cs sich um die
österreichische Erbfolge handelte. Maria Theresia, die älteste
Tochter des im Oct. 1740 verstorbenen Kaisers Karl Vi. hatte dem
schon erwähnten Erbfolgegesetz (der pragmatischen Sanction) zufolge
sofort vom väterlichen Erbe Besitz genommen. Der Vorzug vor ihr
gebührte aber den noch am Leben befindlichen Töchtern des Kaisers
Joseph I., des älteren Bruders Karl's Vi., nämlich der Gemahlin
unsers sächsischen Kurfürsten und der Karl Al brecht's von Bayern.
Da jedoch Friedrich August Ii. bei seiner Vermählung wie beider
Beanspruchung der polnischen Krone auf dieses Anrecht seiner Gemahlin
verzichtet hatte, so schloß er durch Brühl anfangs einen Bund mit
Rußland, um mit demselben die (von Preußen und Bayern angefoch-
tene) pragmatische Sanction aufrecht zu erhalten. Der König von
Preußen Friedrich Ii. forderte nämlich von Oesterreich die einem
Agnaten des Hauses Brandenburg im 30jährigen Kriege entrissenen
alten schlesischen Erbgüter (die Herzogthümer Jägerndorf, Brieg, Lieg-
nitz und Wohlau) zurück und drang siegreich durch Schlesien vor. Der
Kurfürst Karl Al brecht von Bayern dagegen, der jene pragmatische
Sanction nie anerkannt hatte, drang im Sept. 1741, durch französische
Hülsstruppen unterstützt, in Oberösterreich und Böhmen ein. Da än-
derte Brühl, dem der französische Marschall Belle-Jsle für Kur-
sachsen die Erwerbung von Mähren und Oberschlcsien in Aussicht
gestellt hatte, plötzlich seine Politik und trat diesen Beiden bei. 22,000
Mann Sachsen gingen unter des Grafen Rutowski Befehl im Octo-
der nach Böhmen und halfen Prag erobern (26. Nov.), worauf Karl
Albrecht sich als König von Böhmen (19. Dec.) huldigen ließ, jedoch
Prag bald wieder verließ und am 24. Jan. 1742 zu Frankfurt a. M.
*) Brühl übernahm ein Amt nach dem andern und zwar so, daß er die früher
bekleideten gewöhnlich auch noch bcibehielt. Sv kam es, daß er jährlich eine Besol-
dung von 52,142 Thlr. bezog. Ucbrigens war er für Polen Katholik, während er
für Sachsen, wo nach den Religionsversicherungen kein wirklicher Minister katholisch
sein durfte, Protestant war. Im I. 1737 wurde er in den Reichsgrafcnstand er-
hoben und erhielt 1747 die in Sachsen bis dahin dem Namen nach unbekannte
Würde eines Premierm i nistcrs. Als solcher war er selbst eigentlich das geheime
Cabinet oder die höchste in auswärtigen und in Militärangelcgenheiten Vortragende
und ausführcnde Instanz.
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