1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
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Kurfürst Friedrich August Ii.
des Grafen von Brühl*) lag, dessen Selbstsucht von der Kurfürstin
und dem Kurprinzen vollständig, aber erfolglos durchschaut wurde, so
erhielt die Justizverfassung Sachsens (durch Verwandlung des Appel-
lationsgerichts in einen b eständig en Gerichtshof u. a.) einige bedeu-
tende Verbesserungen, sowie die Polizeigesctzgebung durch eine Gesinde-,
eine Trauer- und eine, auf das Tragen inländischer Stoffe gerichtete
Kleiderordnung u. v. a. sich thätig zeigte. Bemerkenswerth ist, daß
der Kurfürst 1735 eine über Förderung des Handels und der Gewerbe
bei allen Behörden Kunde einziehende und ihre Vorschläge darauf grün-
dende Commerciendeputation ins Leben treten ließ, ebenso daß
er 1748 zur Bildung junger Armee-Chirurgen das medicinisch-
chirurgische Collegium zu Dresden stiftete und 1738 zu Neustadt-
Dresden ein Erziehung sin stitut für Soldatenkinder gründete.
— Von den unter diesem Kurfürsten erfolgten Erweiterungen des
sächsischen Gebietes ist oben schon die Rede gewesen. Außerdem
möge hier noch erwähnt werden, daß unter seiner Regierung die alten
Streitigkeiten über die Lehens- und Landeshohheits-Verhältnisse mit den
sächsischen größeren Vasallen geordnet wurden, nämlich mit den Grafen
von Stollberg 1738 und mit denen von Schönburg durch den
Receß von 1740, welcher letztere später (1835) wesentliche Abände-
rungen erlitten hat.
Als ein schweres Unglück lastete während der Regierung dieses
Fürsten Brühl's Gewaltherrschaft auf dem armen Vaterlande. Da
Brühl, wie bereits oben erwähnt wurde, nach und nach fast alle hohen
Civil- und Militärstellen in seiner Person zu vereinigen gewußt hatte,
so vergab er die übrigen Aemter nach Belieben an seine Geschöpfe.
Trotzdem, daß er für seine verschiedenen Aeinter die Summe von 52,Oo0
Thalern an jährlichen Einkünften bezog, so reichte doch diese bei Wei-
tem nicht hin, seine Habgier, Verschwendung und Prunksucht zu be-
friedigen. Sein Haushalt war wahrhaft fürstlich; der Prunk in den
Gemächern, der Aufwand für Tafelgenüsse, Kleidung, Lustbarkeiten re.
ging ins Unglaubliche.**) Seine Dienerschaft allein belief sich auf
200 Personen, eben so stark war seine von ihm hochbezahlte Leibwache,
und der jährliche Aufwand im brühl'schen Hause betrug darum mehr
als eine halbe Million Thalcr. Daher suchte er die Zugänge zu seiner
Privatkasse auf alle Weise zu erweitern. So kam es, daß seinen acht
Secretären, denen er die ganze Staatsverwaltung überließ, Alles käuflich
war und selbst die städtischen Rathsstellen auf ihre Empfehlungen oder
*) Indessen wußte der eigenmächtige Graf seinen königlichen Herrn klüglich irr
der Neberzeugung einer völlig selbstständigen Regierung zu erhalten.
**) Unter Ärühl 's Nachlaß, über welchen er bis auf den ,,Brillanten-Hemden-
knopf unter dem Halse" testamentarisch verfügte, befanden sich unter Anderem an
Pretiosen: 87 Ringe, 843 Tabaticren, 55 Etuis, 102 Taschenuhren, 75 Degen und
Hirschfänger, 29 spanische Röhre, 67 Riechfläschchen rc. — sämmtlich aus 376,000
Thlr. gewürdert. Unter der auf nahe an 54,000 Thlr. angegebenen Garderobe be-
fanden sich unter Anderem 198 gestickte Kleider nebst doppelten Westen, 43 Schlaf-
röcke, 47 Pelze, 17 Muffe ic. Trotzdem, daß Brühl durch den Krieg einen Verlust
von 4 bis 5 Mitt. Thlr. erlitten, verblieb doch bei seinem Tode, nach Abzug der
Schulden, noch ein Vermögen von 1,539,346 Thlr.