1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
Kurfürst Friedrich August H-
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Befehle hin gegen Geldcntschädigung besetzt wurden. Brühl trug
kein Bedenken, Domänen zu veräußern, Anleihen auf sie zu entnehmen
und die Abgaben willkürlich zu erhöhen. Kein Wunder, daß dabei die
Finanzen des Landes und des kurfürstlichen Hauses in den kläglichsten
Zustand geriethen. Eben so wenig machte sich Graf Brühl ein Ge-
wissen daraus, die Unterthanen, selbst Wittwen und Waisen, um ihre
Ersparnisse zu bringen. Dabei nahm er sehr willfährig Geschenke vom
Könige und von Unterthanen, so daß es ihm ein Leichtes war, mehre
der schönsten Herrschaften in Sachsen und Polen an sich zu bringen,
deren Werth vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges sich auf uahc an
6 Millionen Thalcr belief. Seiner unglückseligen Politik ist bereits
gedacht worden. Die Triebfedern, durch welche Brühl'ö Handlungen
im Dienste seines Königs und des Staates geleitet wurden, waren
lediglich Hab- und Herrschsucht, Ehrgeiz, Eitelkeit und Prunksucht.
Wenn er seinem Fürsten die Mühe der Regierung abnahm, für dessen
Ruhe und Unterhaltung, sowie für das Vergnügen und den Glanz
seines Hofes sorgte, so glaubte er, wie er sich dessen in seinem Testa-
mente mit wahrer Selbstzufriedenheit rühmte, seine Pflichten gegen den-
selben vollkommen erfüllt zu haben. Gleich nach dem Tode des Kur-
fürsten legte ec wegen geschwächter Gesundheit seine Stelle nieder und
folgte bereits nach 22 Tagen demselben im Tode nach. Wie glücklich
ist unser Vaterland zu preisen, daß cs nach diesem Einen Brühl von
da an bis auf die neuesten Zeiten so viele treffliche Männer unter den
Räthen der Krone aufzuwcisen haben sollte!
Die äußerliche Erscheinung des Kurfürsten Friedrich August Ii.
war eine äußerst vortheilhafte. Besaß er auch nicht die glänzenden
Geistcscigcnschaften seines Vaters, so wird ihnl doch eine außerordent-
liche Gutmüthigkeit nachgerühmt, durch welche er eben auch den Täu-
schungskünsten eines Brühl zugänglich wurde. Bei seinem Regie-
rungsantritte gelobte er jedem seiner Unterthanen in seinen Anliegen
unmittelbares Gehör (in der geheimen Cabinetskanzlei). Doch wußte
Brühl bald durch allerlei Künste, unter dem Vorwände, für die Ruhe
des Herrn zu sorgen, allen unmittelbaren Zugang zum Fürsten abzu-
schneidcn, so daß der Kurfürst nur das und nur so viel erfahren durfte,
als Brühl wollte. Jedenfalls würde Friedrich August ohne diese
täuschende Umgarnung seines Premierministers weit mehr gewirkt haben.
Uebrigcns war der Kurfürst mit besonderer Vorliebe außer der Jagd
der Kunst zugethan und verwendete auf Gemälde und Unterhaltung
seiner Kapelle namhafte Summen, wie denn überhaupt seine sächsische
Residenz, wo er (bis auf die letzten unglücklichen Zeiten) öfter und
länger verweilte, als zu Warschau, seinem auf den oben erwähnten
Resten ausgebildetcn Kunstsinne manche treffliche Erwerbungen ver-
dankte. Roch sei bemerkt, daß er im I. 1736 seinem Vater ein ehren-
des Denkmal in der noch jetzt zu Neustadt-Dresden befindlichen Reiter-
statue errichtete. — Wie dieser sein Vater der erste, so war er der letzte
sächgschc Fürst, welcher die für Sachsen so wenig heilbringende polnische
Krone trug.