1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
Friedrich August der Gerechte.
285
verfügte derselbe noch vor seinem Abgänge, daß in dem Kirchengebete
nicht mehr für Friedrich August und dessen Familie, sondern nur
im Allgemeinen „für die Obrigkeit" gebetet werden sollte. Doch das
sächsische Volk, obgleich vielfach gegen seinen König durch allerlei Vor-
spiegelungen und Verläumdungen bearbeitet, bewährte in der schweren
Zeit der Jahre 1813 bis 1815 seine unerschütterte Anhänglichkeit
an den angestammten Fürsten und seine Dynastie. Friedrich August
selbst aber trug mit geduldiger Fassung die Unziemlichkeiten und An-
maßungen, die er von verschiedenen Seiten her erfahren mußte, ohne
Klagen und Gegenvorstellungen zu erheben. Adressen und Bittschriften,
welche, ohne daß der König die entfernteste Veranlassung dazu gab,
verschiedene Stände und Korporationen wiederholt für die baldige Rück-
kehr ihres Königs und die Erhaltung der Selbstständigkeit Sachsens
an die verbündeten Monarchen einreichten, hatten keinen Erfolg und
wurden von den zeitweiligen Machthabern in Sachsen sogar unter-
ernsten Drohungen für aufrührerisch erklärt.
Wir müssen hier auf die Schilderung der erneuerten Kämpfe ver-
zichten, welche Deutschland gegen den Kaiser von Frankreich bestand,
und zu denen Sachsen ein Heer von 28,000 Mann, eine Landwehr
von 20,000 Mann stellte, denen in edler Begeisterung ein freiwilliger
Banner von 8000 Mann sich anschloß, und beschränken uns auf die
Bemerkung, daß es endlich den siegreichen Waffen der Verbündeten ge-
lang, der Herrschaft Napolcon's ein Ende zu machen, so daß derselbe
nach dem pariser Frieden (30. Mai 1814) nach Elba verbannt,
dagegen König Ludwig Xviii. und das Haus Bourbon auf Frank-
reichs Thron erhoben wurde.
Im October 1814 traten die verbündeten Fürsten zu Wien zu
einem Congreß zusammen, um über das künftige Schicksal Deutsch-
lands, und dabei Sachsens insbesondere, zu berathen. Während Preu-
ßen mit Entschiedenheit das ganze Königreich Sachsen forderte und
Rußland ganz Polen für sich in Anspruch nahm, waren der Herzog
von Coburg und der König von Bayern die Ersten, welche sich
zum Widerspruch erhoben und für das Fortbestehen der Selbstständigkeit
Sachsens sich verwendeten. Nach vielfältigen Verhandlungen, während
welcher Friedrich August eine Rcchtsverwahrung gegen die Besitz-
nahme seines Landes durch Preußen beim Congreß cingereicht hatte,
gelangte endlich der letztere zu einer Entscheidung, die unbedingt ein
großes historisches Unrecht bleibt. Ohne nämlich nur irgend
Friedrich August um seine Beistimmung zu befragen, entschieden
sich Rußland, Oesterreich, Frankreich, England und Preußen für eine
Thcilung Sachsens, so daß der größere Theil desselben an Preußen
abgetreten werden mußte, das Herzogthum Warschau aber tu der Weise
zwischen Rußland und Preußen getheilt wurde, daß ein bedeutender
Theil desselben mit 800,000 Menschen unter der Benennung Groß-
herzogthum Posen an Preußen überging. Als Friedrich
August zögerte, die ihm vorgelegte Abtretungsurkunde zu unterzeich-
nen und eine Gegenerklärung cinreichcn ließ, stellte man ihm einen
Termin von 5 Tagen fest, mit der Erklärung, daß, wenn er nach