1854 -
Leipzig
: Hirschfeld
- Autor: Stichart, Franz Otto
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
König Friedrich August Ii.
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mit wenigen Ausnahmen schon im Laufe der nächsten Jahre wieder
beseitigt werden mußten.
Die zweite Hälfte des verhängnißvollen Jahres 1848, während
welcher zu Frankfurt a. M. (18. Sept.) und wiederholt zu Wien
und Pesth (im October) die Schrecknisse des blutigsten Aufruhrs wüthe-
ten, verfloß für Sachsen, die zu Chemnitz (12. Sept.) und zu
Zwickau (6. Oct.) vorgekommenen Volksaufläufe und Unruhen aus-
genommen, äußerlich ruhig- doch mußte in das Voigtland, wo sich
republikanische Gelüste gezeigt hatten, Militär gelegt werden.*) So
konnte der König Friedrich August am Schlüsse des Landtags
(17.Nov.) den versammelten Ständen gegenüber sagen: „Das sächsische
Volk hat mit wenigen beklagenswerthen Ausnahmen, inmitten der
großen Erschütterungen Europa's im Ganzen den in ihm wohnenden
Sinn für Gesetz und Ordnung bekundet und darin einen Beweis poli-
tischer Reife gegeben, die sich bei den Völkern in dem Grade ausspricht,
in welchem bei ihnen die Achtung vor dem Gesetze begründet ist."
Doch leider sollte der Znit den frommen Worten „Gott segne unser
Vaterland!" endende Schlußwunsch des väterlich gesinnten Monarchen:
„Möge dieser Geist der Gesetzlichkeit immer stärkere Wurzeln in unserm
Vaterlande schlagen, denn er bildet das sicherste Schutzdach gegen die
Stürme von außen, die stärkste Wache für die Freiheit und das Glück
im Innern" nicht allenthalben in Erfüllung gehen. Schon nach sechs
Monaten sollte das mit Abscheu erfüllende Gegenbild dieser Hoffnung
blutig sich entrollen! —
Zu Frankfurt a. M. war im Jahre 1848 eine Nationalver-
sammlung zusammengetreten, welche im Juni eine vollziehende,
provisorische Centralgcwalt ernannt und diese mit Zustimmung
der souvcrainen Fürsten Deutschlands dem Erzherzog Johann von
Oesterreich als Reichsverweser übertragen hatte. Dieser zog be-
reits am 11. Juli unter Kanonendonner, Glockengeläute und Äolks-
jubel in Frankfurt ein, nachdem er auf seiner Reise Tags vorher auch
Dresden berührt hatte» und von unserin Könige bis Leipzig geleitet
worden war. Am 12. Juli legte der Bundestag, der seine bisherige
Thätigkeit als beendigt ansehen mußte, ohne jedoch seine noch immer
fortdauernde rechtliche Stellung aufzugeben, alle seine verfassungsmäßi-
gen Befugnisse und Verpflichtungen in die Hände der provisorischen Cen-
tralgewalt. König Friedrich August von Sachsen, der zu jedem Opfer-
bereit war, zur Herstellung eines dauernd einigen, vernünftig freien
und dadurch innerlich starken Deutschlands mitzuwirken, hatte die
Wahl deutscher Nationalvcrtrcter bereits den 11.April 1848
ungeordnet, sowie die Reichsgesctze über Einführung einer provi-
sorischen Centralgewalt für Deutschland in seinem Staate publici-
ren lassen (17. Nov. 1848).
Inzwischen hatte die regierungsfeindliche (sogenannte demokra-
tijche) Bewegung in Sachsen, gefördert durch die immer frecher
*) Auch als in Altenburg (18. Juni) und in Gera (12. Aug.) Unruhen ent-
standen waren, wurden sächsische Truppen dahin gesendet.