Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Neue Geschichte - S. 9

1859 - Leipzig : Fleischer
9 Aber sein Gottvertrauen hielt auch hier seinen sinkenden Muth aufrecht. „Vater und Mutter verlassen mich," rief er, die Augen gen Himmel gerichtet, ans, „aber der Himmel nimmt mich auf." Ja wohl, der Herr verließ ihn nicht. Denn ehe er noch von der Tafel aufgestanden war, erhielt er ein zweites Schreiben von Spalatin: wenn er noch nicht fort wäre, so solle er nur blei- den; der Kurfürst wolle ihn schützen. Um diese Zeit war ein Mann nach Wittenberg gekommen, der von der Vorsehung dazu bestimmt war, mit Luther gemeinschaftlich das große Werk der Reformation zu Stande zu bringen. Dies war Philipp Melanchthon. Eigentlich hieß er Schwarzerd, und hatte den Namen Melanchthon darum an- genommen, weil die Gelehrten damaliger Zeit ihre deutsch klingenden Namen gern ins Lateinische oder Griechische übersetzten. Sein Geburtsort war Bretten, ein Städtchen im Großherzogthum Baden, 1497. Hier lebten seine frommen Eltern — der Vater war ein Stückgießer und Waffenschmidt — die ihre Kin- der früh schon zur Frömmigkeit anhielten. Das Beispiel und die Lehren der guten Eltern wirkten auch so Vortheilhaft auf den sanften Knaben, daß er sein ganzes Leben hindurch nie von Gottes Wegen abwich, und sein inniges Gott- vertrauen ihn bei allen Veränderungen seiner Schicksale aufrecht erhielt. Er verlor schon im 11. Jahre seinen Vater. Der Großvater gab ihm nun einen treuen Erzieher, bis er nach Pforzheim auf die Gelehrtenschule kam.' Hier wurde er bald der Liebliug aller Lehrer wegen seines stillen, bescheidenen Fleißes und seiner schnellen Fortschritte, die so groß waren, daß er schon im 14. Jahre die Universität beziehen konnte. Er studirte in Heidelberg, dann in Tübingen. Hier fiel ihm eine Bibel in die Hände, und diese bewirkte bei ihm dasselbe, was sie bei Lnthern bewirkt hatte. Nun legte er sich mit ganzer Seele, neben dem Studium der alten Sprachen, auf die Erkenntniß der christlichen Religion. Seine Gelehrsamkeit, ob er sie gleich nie zur Schau trug, machte ihn bald so berühmt, daß ihn Friedrich der Weise 1518 nach Wittenberg als Professor berief. Seine erste Bekanntschaft war hier Luther, und so verschieden auch Beide an Temperament waren, so wurden sie doch die innigsten Freunde; denn Beide waren von gleicher Liebe zu Gott erfüllt, Beide hatten gleichen Eifer, die Religion Jesu in ihrer unverfälschten Reinheit zu lehren, und den Unterricht des Volks zu verbessern. So heftig, aufbrausend, kräftig und selbst übereilt Luther zuweilen war, so sanft, bescheiden, furchtsam und besonnen war Melanchthon. Aber solcher Männer bedurfte auch die Vorsehung, um die Reformation zu bewirken. Melanchthons Mäßigung hätte diese nie zu Stande gebracht; dagegen wurde Luthers Kraft, sein Feuereifer durch die Bedacht- samkeit seines Melanchthons gemäßigt, und so wirkten Beide vereint unend- lichen Segen für die Menschheit. Ohne Neid erkannte Luther die größere Gelehrsamkeit seines Freundes an; er pflegte ihn seinen Philipp zu nennen, und dieser wieder nannte ihn schlechtweg den Doctor. Beide machten Witten- berg zur berühmtesten Universität ihrer Zeit; von allen Seiten strömten die Jünglinge herbei, von ihnen zu lernen, und Melanchthon hatte zuweilen über 2000 Zuhörer in seinen Vorlesungen. Von Körper war er schmächtig, hatte blondes Haar, eine breite, offne Stirn, freundliche Augen und seine Rede war bedächtig. Luther hätte gern die Streitigkeiten ruhen lassen, um nur seinem Amte zu leben; aber seine Feinde ließen nicht ab, ihn zu reizen, und er war nicht
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer