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1. Neue Geschichte - S. 104

1859 - Leipzig : Fleischer
104 jener Zeit nur der Bürgerstand der neuen Lehre zugethan; der Adel hing größtentheils noch dem alten Glauben an. Obgleich schon unter Karl V. die Evangelischen verfolgt wurden, und Kerker und Blutgerüst Tausende hin- rafften, war dies doch theils unter Zustimmung der Stände des Landes geschehen, theils hatte Karl durch sein freundliches Wesen und durch seine glückliche Art, mit den Niederländern umzugehen, sich das Volk geneigt er- halten. Unter dem finstern Philipp veränderte sich Alles. Der Adel wie der Bürgerstand zitterten vor der drohenden Einführung der spanischen Inqui- sition. Philipp setzte die ausdrücklichen Privilegien der Niederländer bei Seite, denn er ertheilte seinen Spaniern die wichtigsten Aemter des Landes, und be- legte es mit spanischen Soldaten, die jeden Laut des Mißvergnügens gewalt- sam zu unterdrücken bereit waren. Wiederholt baten die Einwohner, ihnen diese Last zu entnehmen. Philipp wurde unwillig, und ries: „Ich bin auch ein Ausländer! will man nicht lieber auch mich aus dem Lande jagen?" — Endlich willigte er in den Abmarsch ein. So war der Anfang seiner Regierung; wie konnten sich die Niederländer viel Gutes davon versprechen? Unter solchen Umständen bildete sich eine patriotische Partei, welche die Freiheiten und Einrichtungen des Landes zu bewahren entschlossen war. Vor Allen zeichneten sich aus: Wilhelm von Oranien, Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht, und L am oral Graf von Egmont, Statthalter von Flandern und Artois. Wilhelm von Oranien stammte aus dem Hause Nassau, und hatte schon Karls V. vorzügliches Vertranen genossen. Als dieser die Regierung niederlegte, zählte Wilhelm 23 Jahre. Es war eine lange, hagere Gestalt, das Gesicht braun, der Ansland edel. Auf seinem immer sich gleich bleibenden Gesichte war keine Spur von den Bewegungen seines Gemüths zu erblicken; und doch war sein Geist unablässig thätig. Keiner war so geschickt, Menschen zu durchschauen und Herzen zu gewinnen. Lange dauerte es, ehe er einen Entschluß faßte; war dies aber einmal geschehen, so führte er ihn schnell und unwiderruflich aus. Mit seinem Gelde war er freigebig, und trieb eine fürst- liche Pracht; desto geiziger war er mit seiner Zeit, von der er keinen Augen- blick verlor. Die Stunde der Tafel war seine einzige Erholungszeit, wo er- gänz sich und seiner Familie lebte. Philipp haßte ihn schon darum, weil sein Vater ihn geliebt hatte. Noch größere Liebe des Volks genoß Lamoral Graf von Egmont. Auch auf ihn hatte Karl viel gehalten, und ihn selbst zum Ritter des golde- nen Vließes geschlagen. Für Philipp hatte er (1557) die Schlachten von St. Quentin und Gravelingen gegen die Franzosen gewonnen. Egmont war ein freundlicher, zutraulicher Mann, offen und ohne Falsch, gefällig gegen Jedermann. Wenn er durch die Straßen von Brüssel ritt, und freundlich die Bürger begrüßte, schlug ihm jedes Herz entgegen. Die Männer erzählten von seinen Kriegsthaten, und die Weiber zeigten ihren Kindern den ritterlichen An- stand des freundlichen Herrn. Neun blühende Kinder machten ihn zu einem glücklichen Vater. So wie er gut war, so traute er jedem Menschen; seine Gedanken waren auf seiner Zunge, und diese unbedachtsame Sorglosigkeit brachte ihn nachher auf das Blutgerüste.
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