1859 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Kurts, Friedrich, Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Auge verborgen geblieben waren, zeigten sich ihm nun, und nun erst erkannte
man mit Bestimmtheit, wie unrichtig die Systeme des Ptolemäus und des Tycho
de Brahe, und wie richtig das copernicanische sei. Zuerst betrachtete Galilei
den Mond, und erkannte hier, daß die Flecken Berge, Thäler und vielleicht
Meere wären, ja er berechnete schon die Höhe der Mondberge aus ihrem
Schatten. Ferner entdeckte er, daß die Planeten kein eigenes Licht hätten,
sondern es, wie die Erde, von der Sonne erhielten. Von diesen Sternen
schwang er sich zu den Fixsternen hinauf. Wie erstaunte er, als nun wohl
zehnmal mehr Sterne seinem Auge sichtbar wurden, als man bisher gesehen
hatte! Allein im Orion sah er 500 neue Sterne, und als er die Milchstraße
betrachtete, entdeckte er, daß der matte Schein sich in zahllose Sterne auf-
löse, die zu entfernt wären, als daß das unbewaffnete Auge sie einzeln erkennen
könnte. Auch lösten sich nun die Nebelflecke in eine Masse von unzähligen
Sternen auf. Daß er, trunken vor Freude und Bewunderung, nun jede
sternenhelle Nacht zu Beobachtungen benutzte, braucht wohl nicht erst gesagt
zu werden. „Ich bin vor Verwunderung außer mir," schrieb er an einen
Freund, „und sage Gott unendlichen Dank, daß es ihm gefallen hat, so große
und allen Jahrhunderten unbekannte Wunder durch mich zu entdecken." Jedes
Jahr bereicherte er die Wissenschaft mit neuen Entdeckungen. So fand er,
daß der Jupiter vier Monde habe. Dann richtete er seinen Blick auf die
Sonne, und nahm wahr, daß die Sonnenflecke sich von Westen nach Osten
bewegten, woraus er mit Recht schloß, daß sich die Sonne von Westen nach
Osten um ihre Axe drehe. So sehr sich nun auch viele Gelehrte über diese
herrlichen Entdeckungen freuten, vor Allen der berühmte Kepler in Prag, so
sehr ärgerten sich Andere, besonders die Italiener, über ihn, theils aus Neid,
theils weil ihr über Alles verehrter Aristoteles durch Galilei weit in den Hinter-
grund gestellt wurde. Einer behauptete, schon Ptolemäus hätte das Fernrohr
erfunden, ein Anderer, er sei der Entdecker der Jupitersmonde, und was des
neidischen Geschwätzes mehr war.
Bei dem Allen vergaß Galilei auch der Erde nicht, und stellte wichtige
Beobachtungen an über die Schwere und das Gleichgewicht der festen und
flüssigen Körper, erfand und vervollkommnete eine Menge von Maschinen,
und erweiterte und verbesserte die Artillerie- und Kriegsbaukunst. Ungeachtet
er so fleißig studirte, beobachtete, forschte und entdeckte, so war er doch keines-
wegs ein finstrer, menschenscheuer Gelehrter, sondern im Gegentheil ein Freund
der Geselligkeit, und brachte seine Erholungsstunden gern in Gesellschaften und
bei Gastmählern zu.
Im Jahre 1610 berief ihn der Großherzog von Florenz nach dieser Haupt-
stadt als Mathematiker seines Hofes mit einem bedeutenden Gehalte. Wie
freute er sich, in sein Vaterland zurückkehren zu können! Hier setzte er seine
Beobachtungen am Himmel fort. Alle seine Entdeckungen können hier nicht
angeführt werden. Es fei genug, die wichtigsten zu erwähnen, z. B. daß
Venus und Mars, wie der Mond, zu- und abnähmen. In Rom, wo er
seine Freunde besuchte, zeigte er diesen seine Entdeckungen am Himmel, und
setzte sie so in Erstaunen, daß einer von ihnen an den Großherzog schrieb:
„Er hat seine Entdeckungen so augenscheinlich bewiesen, daß alle sachverstän-
dige Männer dieser Stadt die Wahrheit eingesehen und bewundert haben.