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1. Erzählungen aus der Neuzeit - S. 119

1889 - Leipzig : Freytag
119 25. Ludwig Xvi., König von Frankreich. 1. Frankreich unter Ludwig Xv. Auf die lange, scheinbar glnzende, aber im Grunde unheilvolle Regierung Ludwigs Xiv. folgte die fast gleich-lange, aber noch viel schlimmere seines Urenkels, des gutmtigen, aber geist-und sittenlosen Ludwig Xv. Die kurze Regentschaft (17151723) des hochbegabten aber leichtsinnigen Herzogs Philipp von Orleans und die Regierung Ludwigs Xv. selbst (bis 1774) zerrtteten Frankreich vollends. Viele Kriege verursachten ungeheure Verluste an Menschen, Pferden, Geld ic., brachten aber'wenig Ehre und Vorteil. Dazu kam die unglaubliche Ver-schwendung des Hofes. Die Landesschuld wuchs dadurch auf vier Milliarden Francs an. Auch die Rechtspflege lag ganz darnieder; gegen 1200 Verhaftsbefehle (lettres de cachet), durch die man jeden ohne Urteil oder Verhr auf beliebige Zeit einkerkern und unschdlich machen konnte, wurden jhrlich von dem Könige und den Ministern ausgestellt. Die Religion war allgemein miachtet; denn unglubige Sptter und Freidenker, wie Montesquieu, Voltaire und Rousseau, hatten den Glauben ins Lcherliche gezogen, so da sich die Gebildeten schmten, sr Anhnger der Kirche und des Glaubens zu gelten. Das lockere, sittenlose Leben hatte vom Hose aus auch seinen Weg in das Volk gefunden, Ehrfurcht und Liebe gegen das an-gestammte Herrscherhaus schwanden immer mehr. Ein besonders fhlbares bel war die ungleiche Verteilung der Rechte und Pflichten im Staate. Denn der Adel war frei von Steuern, durfte allein jagen und fischen, allerlei Zlle und Abgaben oder Frondienste fordern; auch hatte er allein Zutritt zu Hof-, Staats- und hheren Kirchenmtern oder Offiziersstellen. Die Geistlichkeit war ebenfalls steuerfrei und zahlte nur freiwillige Gaben" an den Staat. Und diesen zwei Stnden gehrten zwei Drittel alles Grundes und Bodens. Dagegen trug der dritte Stand (le tiers etat), d. h. Brger und Bauern allein alle Lasten des Staates und dazu noch die Abgaben an Adel und Kirche. Diese Armen mhten sich unter allerlei Entbehrungen ab, damit jene in ihren festen Schlssern oder behaglichen Wohnungen alle Wnsche und Lste befriedigen konnten. Ludwig Xv. ahnte wohl, da das ein furchtbares Ende nehmen msse, trstete sich aber mit dem gewissenlosen Worte seiner Gnstlinge, der Marquise von Pompa-dour und des Herzogs von Choisenl: Nach uns komme die Sintflut!" (Apres nous le deluge!) Auf dem so vorbereiteten Boden wucherten die Freiheits- und Gleichheitsgedanken, wie sie von den Nordamerikanern eben verwirklicht und von ihren aus Frankreich hinbergestrmten Mitkmpfern mit herbergebracht waren. Das Beispiel war verlockend. Warum sollte man sich nicht auch in der Alten Welt zu befreien und fein Leben menschen-wrdig zu gestalten versuchen?
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