1859 -
Berlin
: Gaertner
- Autor: Lange, Otto
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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dieser Verdienste. Athen war nämlich ein Freistaat, in welchem jeder
Bürger gleiche Rechte und Theil an der Negierung hatte. Zeichnete
sich nun Einer aus, so entstand Neid unter den Uebrigen, welche leicht
vermutheten, daß der Eine nach der Oberherrschaft strebe. Kamen
noch Verläumdungen hinzu, dann wurde nicht selten das Urtheil zur
Verbannung ausgesprochen. So ging es dem Themistokles. Man sagte,
er stehe mit dem Könige von Persien in heimlicher Verbindung. So-
gleich sprach man über ihn das Todesurtheil aus. Glücklicher Weise
befand er sich nicht in Athen, als dies geschah, und er hatte Zeit zu fliehen.
Nachdem er an verschiedenen Orten umhergeirrt war, begab er sich
nach Ephesos und flüchtete zu dem Könige der Perser, Artaperxes, dem
Sohne des -kerpes. Er bat ihn um seine Freundschaft und wurde auch
gut aufgenommen. Als er gar dem Könige versprach, er wolle ihm
ganz Griechenland unterwerfen, erhielt er die Stadt Magnesia zum
Geschenk. Bald darauf starb er. Wahrscheinlich hat er sich selbst ge-
tödtet, als Artaxerxes von ihm die Erfüllung des gegebenen Verspre-
chens verlangte. Denn ein edler Grieche, er mochte noch so hart von
seinem Vaterlande behandelt worden sein, konnte es nicht über sich ge-
winnen, gegen dasselbe die Waffen zu erheben.
Sokrates.
§. 14. Das Leben -es Sokrates. Wir betrachten nun
das Leben eines Mannes, der sich nicht durch glückliche Kriege um sein
Vaterland verdient machte, sondern der durch Weisheit, welche er den
atheniensischen Jünglingen lehrte, unsterblichen Ruhm erworben hat.
Es ist der Weltweise oder Philosoph Sokrates (450). Unter
einem Philosophen versteht man einen solchen Mann, der sich damit
beschäftigt, das Wesen aller Dinge von Grund aus zu begreifen.
Sokrates war der Sohn eines Bildhauers und soll als Jüngling auch
die Kunst seines Vaters getrieben haben. Später that er Kriegsdienste
und kämpfte für sein Vaterland. Dann ging er in die Einsamkeit und
beschäftigte sich mit Erforschung göttlicher Dinge. Er lebte in Ar-
muth, ging einfach gekleidet und war sehr enthaltsam. Es gab da-
mals Leute in Athen, welche verwerfliche Lehren verbreiteten und in
langen Reden den Jünglingen zeigten, daß man besonders nach Reich-
thum und Genüssen streben solle. Sie wurden Sophisten genannt.
Das war aber den Ansichten des.sokrates ganz entgegen. Er sagte,
das höchste Gut des Menschen sei Ausübung der Tugend und Gerech-
tigkeit und ein lebendiger Glaube an eine Gottheit, die das Gute be-
lohne und das Böse bestrafe. Natürlich feindeten ihn deshalb die an-