1859 -
Berlin
: Gaertner
- Autor: Lange, Otto
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das freie Evangelium fand besonders in den Städten Nürnberg, Ulm,
Straßburg, Frankfurt a. M-, Nördlingen, Braunschweig, Hamburg,
in ganz Kurfachsen, Hessen, Pommern und Preußen Anhänger, dabei
aber wurden manche Lehren Luthers ganz falsch verstanden.' So glaub-
ten viele Bauern in Süddeutschtand, als sie Luthers Lehre von der
geistigen Freiheit horten, daß Luther sie von allem Gehorsam gegen
ihre Obrigkeit befreien wolle. Sie empörten sich, zogen umher, ver-
brannten Burgen und Schlösser und ermordeten ihre Herren. Dasselbe
that Thomas Münzer an der Spitze mehrerer Bauern in Thürin-
gen, wurde jedoch von Johann den: Standhaften und Philipp von
Hessen gefangen genommen und hingerichtet.
§. 67. Luthers Frau und Freunde. Luthers Frau war
eine Nonne gewesen und nach Wittenberg gekommen, wo sie Luther
kennen lernte. Sie hieß Katharina von Bora- Dadurch, daß
Luther sie heirathete, nachdem er vorher seine Mönchskutte abgelegt
hatte, gab er allen Geistlichen ein Beispiel zur Nachahmung. Bald
verheiratheten sich auch andere junge Prediger. Luther lebte mit sei-
ner Frau sehr glücklich und war oft recht vergnügt in: Kreise seiner
sechs Kinder. — Ein Mann, der nicht bloß ein Freund Luthers,
sondern auch ein treuer Gehülfe beim Werke der Reformation war,
ist Philipp Melanchthon. Er war 1497 am 16. Februar zu
Bretten in Baden geboren. Nachdem er in Heidelberg studirt hatte,
wurde er nach Wittenberg im 21. Jahre als Professor der griechischen
Sprache und der Theologie berufen. Er war eben so heiter und ge-
sprächig wie Luther; nur besaß er nicht Luthers Feuer und war von
etwas furchtsamem Charakter, daher auch Luther sagte: "So leise
kann ich nicht auftreten, wie Magister Philipp." Dennoch sind seine
Verdienste um die Reformation sehr groß. — Wie Luther sein Le-
den lang die Musik sehr liebte, ebenso verehrte er auch die anderen
Künste. Er selbst dichtete manch schönes Lied. Bekannt genug sind
ja von ihn: die Lieder: "Eine feste Burg ist unser Gott" und "Von:
Himmel hoch, da tonnn' ich her." Aber auch die Malerei liebte
er sehr; den Genuß mancher schönen Malerwerke verschaffte ihm
sein Freund Lueas Cr an ach. Dieser große Dealer war in Cra-
nach am Fichtelgebirge geboren und wohnte als sächsischer Hof-
maler 46 Jahre lang in Wittenberg. Er war ein so ehrenwerther
Mann, daß er zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde. Seinen
Kurfürsten Johann Friedrich hat er in die Gefangenschaft nach Jn-
spruck begleitet.
§. 68. Fortgang der Nesormation. Zwingli und
Calvin. Wiewohl Kaiser Karl V. im Herzen ganz katholisch ge-