1859 -
Berlin
: Gaertner
- Autor: Lange, Otto
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
100
protestantischen Gottesdienst untersagte, wurde die Erbitterung groß.
Man zerstörte die Bilder und Kunstwerke in den katholischen Kirchen;
schottische Soldaten, von sranzösischen unterstützt, mußten die Unruhen
unterdrücken. Allein die schottischen Protestanten baten die Engländer
um Hülse. Man schloß einen Vergleich. Während dessen starb nicht
blos die Mutter Maria's, sondern auch Franz Ii., und Maria Stuart
sah sich genöthigt, ihr geliebtes Frankreich zu verlassen und in ihr
eigenes Land zurückzukehren. In Edinbnrg wurde sie mit lautem Ju-
bel empfangen. Als aber die Schotten sahen, mit welcher Liebe ihre
Königin der katholischen Religion zugethan war, wurden sie miß-
trauisch. Knop war bereits nach Schottland zurückgekehrt, und der
Protestantismus hatte vollständig die Oberhand gewonnen. Der Kö-
nigin wurde sogar untersagt, in ihrer Schloßkapelle die Messe lesen
zu lassen.
§. 107. Maria Stuart als Gemahlin Darnley's
und Bothwell's. Während dieser Ereignisse verheirathete sich
Maria mit dem Lord Darnley, einem ihrer Verwandten. Als sie
der Königin von England ihre Verlobung durch den treuen Haushof-
meister Melvil anzeigte, benahm sie sich sehr freundlich, wiewohl
Melvil, nicht mit Unrecht, das Betragen der Königin für zweideutig
hielt. Denn Elisabeth hatte in ihrem Staatsrathe erklärt, daß die
Vermählung Maria's für England uachtheilig sei, weil Darnley katho-
lisch wäre, und einige ihm ein Recht auf den englischen Thron zuge-
sprochen hätten. Indessen wurde die Vermählung vollzogen. Bald
sah aber Maria, daß der schöne und junge Darnley undankbar, hoch-
müthig und treulos war. Es entstand ein Mißverhältniß zwischen
Beiden, das noch erhöht wurde, als Maria einen Italiener, Namens
Rizio, der durch seine schöne Stimme bei ihr in große Gunst ge-
langt war, sehr auszeichnete. Mit diesem und einigen ihrer Frauen
speiste eines Abends die Königin, als Darnley in das Zimmer trat
und Rizio von mehreren Edelleuten ermorden ließ. Solchen Schimpf
konnte die Königin ihrem Gemahl nicht vergessen. An Rizio's Stelle
trat Graf v. Both well, ein lasterhafter, aber kühner Mann. Als
Darnley 1567 in Glaskow krank wurde, pflegte ihn die Königin mit
aller Sorgfalt und gab ihm sogar, zu seiner größern Ruhe, ein Land-
haus in der Nähe von Edinburg. Dieses Haus flog in einer Nacht,
durch Pulver gesprengt, in die Luft, Darnley's Leichnam wurde
auf dem Felde gefunden. Man hegte Verdacht gegen die Königin und
scheute sich nicht, durch nächtlich angeschlagene Zettel Bothwell als
Königsmörder darzustellen. Was aber den Leichtsinn und die Leiden-
schaft der Königin am widerwärtigsten zeigte, war, drei Monate nach