1868 -
Oldenburg
: Stalling
- Autor: Stacke, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Griechische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
90
Messenier liebte die Tochter des Aristodemos, erhob Widerspruch
gegen ihn und reizte durch seine Einwendungen den Vater so
sehr, daß dieser in Wuth gerieth und im Zorn seine Tochter
ermordete. Epebolos verlangte nun, daß ein Anderer seine
Tochter dazu hergebe, denn des Aristodemos Tochter helfe ihnen
nichts, da sie vom Vater ermordet, nicht aber den Göttern ge-
opfert sei. Nur mit Mühe bewirkte der König die Erklärung
des Volkes, daß cs keines weiteren Opfers bedürfe. Aus Furcht
vor der Wirkung des Orakels wagten die Lacedämonier fünf
Jahre lang keinen Angriff; erst im sechsten erschienen sie in der
Ebene vor Jthome, wo es zu einem Treffen kam, in dem der
König der Messenier tödtlich verwundet wurde, so daß er bald
darauf starb. An seiner Stelle ward Aristodemos zum König
erwählt; in den ersten fünf Jahren seiner Negierung fielen nur
kleinere Gefechte vor, bis im sechsten Jahre beide Heere mit
ihren Bundesgenossen einander ein entscheidendes Treffen lieferten,
in welchem die Lacedämonier eine schwere Niederlage erlitten.
Dennoch hatten die Messenier von ihrem Siege wenig Vortheil,
denn zweideutige Orakelsprüche, deren Sinn man nicht erkannte,
beunruhigten und entmuthigtcn sie. Im zwanzigsten Jahre des
Krieges befragten sie von neuem das Delphische Orakel, das
ihnen folgenden Spruch ertheilte:
„Wer Dreifüße zuerst au des Zeus Altar iu Jthome
Stellet im Kreis umher an der Anzahl zehen mal zehen,
Dem giebt Gott mit dem Ruhme des Kriegs die Messeuischen Fluren
Diese Antwort des Orakels erfuhren die Lacedämonier; ein
gemeiner Bürger verfertigte hundert Dreifüße aus Thonerde, und
zog als Weidmann verkleidet nach Messenien, wo er sich unter
die Landleute mischte und mit ihnen in die Stadt Jthome
ging. Hier stellte er mit Einbruch der Nacht die Dreifüße im
Tempel des Zeus auf und entkam glücklich nach Sparta. Durch
diese List gericthen die Messenier in große Bestürzung, und dazu
kamen noch andere unheilbringende Vorzeichen, die den Unter-
gang Messeniens verkündeten: ein Seher, der von Geburt an
blind gewesen war, bekam plötzlich das Gesicht und verlor es
bald nachher wieder; die Bildsäule der Artemis ließ ihren Schild
fallen; die Hunde kamen an einem Orte zusammen und heulten
die ganze Nacht; die zum Opfer bestimmten Widder stießen die
Hörner mit solcher Gewalt in den Altar, daß sie von dem