1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Afterlehn Oestreichs, so daß er unmittelbar von Oestreich abhing, besitzen
sollte. Ulrich regierte von nun an mit weiserem und gerechterem Sinne,
und führte die Reformation in Würtemberg ein.
Eben so eigenmächtig, wie die Vertreibung und Einsetzung des Herzogs
Ulrich gewesen, war die Vertreibung Herzogs Heinrich von Braun-
schweig im Jahre 1542. Dieser Fürst, ein leidenschaftlicher Mann, ver-
folgte mit hartnäckiger Erbitterung das Lutherthum und gab nicht minder
durch seinen Lebenswandel der Welt großes Aergerniß. Zuerst kam es
zwischen ihm und dem Kurfürsten Johann Friedrich, der seinem Vater
Johann dem Beständigen im Jahre 1532 nachgesolgt war, zu einem öffent-
lichen Schriftwechsel, in welchem es nicht an Schmähungen fehlte. Als
er unter Anderem an den Kurfürsten schrieb: „Luther gebrauche ihn nur
zum Hanswurst", ergriff auch Luther die Feder und schrieb das bekannte
Buch: „Wider Hans Worst", welches, eben so heftig wie des Gegners
Schriften, nur durch die aufgeregte Zeit erklärt und entschuldigt werden
kann, in der es geschrieben wurde. Da nun Herzog Heinrich die freien
Reichsstädte Goslar und Braunschweig dafür, daß sie dem Schmal-
kaldischen Bunde beigetreten waren, hart bedrängte und weder auf die Ab-
mahnungen des Kammergerichtes, noch auf König Ferdinand hörte, fiel
der Schmalkaldische Bund im Jahre 1542 mit 19,000 Mann in die
Braunschweigischen Lande ein, jagte den Herzog in die Flucht und behielt
sein Land trotz der Abmahnung des Kammergerichts in Besitz. Herzog
Heinrich eroberte es sich zwar drei Jahre darauf mit Soldaten, die er
für König Franz I. geworben hatte, zurück, wurde aber von dem Land-
grafen Philipp und dem Kurfürsten von Sachsen bei Nordheim
umzingelt, und mußte sich, da er kein Treffen wagen wollte, gefangen ge-
den, worauf ihn der Landgraf auf die Festung Ziegenhain unter strengen
Gewahrsam setzte. Kaiser Karl V. war genöthigt, dies Alles geschehen zu
lassen. Wie viel solche Nachgiebigkeit seinem stolzen Herrschersinn kosten
mochte, das wußte Niemand. Er verlangte blos, daß dem Herzoge ritter-
liche Haft gegeben würde.
Während Karl seine politischen Pläne mehr und mehr scheitern sah,
lag ihm der Papst mit den deutschen Bischöfen und katholischen Reichs-
fürsten hart an, der um sich greifenden Reformation ein endliches, festes
Ziel zu setzen. Clemens Vii. war gestorben (25. September 1534)
und Paul Iii. war ihm in der päpstlichen Würde gefolgt — ein Kirchen-
sürst, der ganz wie seine Vorgänger der vielfach vom Kaiser angeregten
Forderung, ein Koncil zu veranstalten, ausznweichen wußte, von glühendem
Hasse gegen die evangelische Lehre und deren Bekenner erfüllt war und
jede friedliche Ausgleichung der streitigen Religionssache zu verhindern
suchte. Um sich den Schein zu geben, als ob es ihm mit der Koncilien-
sache Ernst sei, sandte er seinen Legaten Vergerius nach Deutsch-
land, welcher die Verhandlungen über das Koncil in solcher Weise be-
treiben sollte, daß die Versammlung in einer deutschen Stadt umgangen