1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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verlassen; auf das Zureden des Herzogs Moritz, seines Schwiegersohnes,
und des Kurfürsten von Brandenburg, die Versicherung der kai-
serlichen Gnade für ihn erhalten hatten, ergab er sich zu Halle, doch so,
daß ihm die persönliche Freibeit in keiner Weise geschmälert sein sollte.
Der Kaiser war unredlich genug, eine Fälschung seiner^Rätbe gut zu hei-
ßen und den Landgrafen in Haft zu behalten. In Spanien war dies
nichts Ungewöhnliches; es war aber das erste Mal, daß man den Kaiser
einer offenbaren Wortbrüchigkeit zeihen durste. Rachedurst und Siegeslust
nahmen seine Seele ein. Man hatte ihn lange nicht so vergnügt gesehen,
als an dem Tage, wo es ihm gelungen war, Philipp von Hessen
zur Haft zu bringen. Vergebens berief sich Herzog Moritz auf das kai-
serliche Versprechen; diesmal war Karl unerbittlich. Er stand jetzt auf
dem Gipfel seiner Macht. Alles beugte sich vor ihm. „Es war wieder
einmal ein Oberhaupt von durchgreifender Macht in Deutschland."
Doch nicht lange sollte sich der Kaiser seines Sieges in Ruhe erfreuen,
denn schon drohte ein neuer Zwist mit dem Papste. Paul Iii. verlegte
das Koncil von Trient nach Bologna (März 1547) und zog seine
Truppen aus Deutschland zurück. Karl war hierüber sehr erbittert und
veranstaltete einen neuen Reichstag zu Augsburg (Januar 1546), um
über die Mittel zu berathschlagen, durch welche der Religionsstreit in
Deutschland auch ohne Koncil beigelegt werden könnte. Der Reichstag
stellte es in des Kaisers Ermessen, die nöthigen Mittel zu ergreifen, um
„bis zur amtlichen Erörterung des gemeinen Koncils die Religionssache
christlich anzustellen," und den Frieden nicht weiter zu gefährden.
Auf seinen Befehl wurde nun durch katholische und protestantische
Theologen das sogenannte Interim, d. h. die Erklärung, wie er es bis
zur endlichen Entscheidung des Konciliums mit der Religion gehalten wissen
wollte, verfaßt und als kaiserliche Anordnung bekannt gemacht. Dieses
„Augsburger Interim" erregte große Bewegungen in ganz Deutsch-
land; besonders heftig erklärten sich mehrere Reichsstädte dagegen, weshalb
gegen sie die Reichsacht ausgesprochen wurde. Mochte nun der Uebermuth
der Spanier und die schmachvolle Behandlung deutscher Fürsten durch den
Kaiser den Kurfürsten Moritz aufgereizt haben, oder waren ihm erst jetzt
des Kaisers Pläne zu einer Universalmonarchie klar vor die Seele getreten,
genug, er begann, von Karl sich abzuwenden, und ließ auch das Interim
in seinem Lande nicht einführen. Der Kaiser hatte freilich Ursache, ihn zu
schonen und ließ ihm diesen Widerspruch hingehen; er trug ihm aus, die
widerspenstige Stadt Magdeburg zu belagern; der Kaiser baute zu sehr
auf seine eigene Klugheit, als daß er an eine Ueberlistung geglaubt hätte,
und Moritz, schlau, geheimnißvoll und Meister in der Verstellung, wußte
den Argwohn, der in Karl's Gemüthe auftauchen mochte, zu zerstreuen;
unter äußerer Fröhlichkeit verbarg er seine großen Pläne.
Wahrend dieser Bewegungen starb Papst Paul Iii. (1549). Sein
Nachfolger Julius 111. ging wenigstens insofern aus den Willen des
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