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1. Neuere Geschichte - S. 290

1861 - Leipzig : Brandstetter
290 einzunehmen und seinen Gegner Stanislaus Lesczynski aus dem Reiche zu vertreiben. Von nun an gestaltete sich die Regierung August's Ii. friedlicher, jedoch hinderte ihn seine beschränkte Macht, für das Wohl Polens in entschiedener Weise zu wirken. Die Jesuiten übten im Stillen großen Einfluß auf die Gemüther. Religionshaß und Unduldsamkeit fanden hier einen besseren Boden als irgendwo. Bald erlangten die Katholiken das Uebergewicht auf dem Reichstage und es erfolgten neue Gesetze, welche die Gewissensfreiheit beschränkten. Unter dem polnischen Adel bildete sich gar bald eine Art von französischem Jesuitismus aus, zumal da die Polen für die französische Sprache und Sitte schon längst eine Vorliebe gefaßt hatten. Das neue Franzosenthum aber, in seiner Zierlichkeit und Eleganz ersetzte das sittliche Element eines freidenkenden Bürgerstandes nicht, und die rohen Sitten des Adels wurden unter den gefälligen Formen der französischen Etiquette und Galanterie nur dürftig versteckt. Als Beweis für die traurigen Folgen solchen Zwiespaltes im Innersten des Staatenlebens könnten eine Menge von Einzelnheiten gelten, deren Erwähnung hier zu weit führen würde. Großes Aufsehen machte ein Jesuitenstreit in der alten, von den deutschen Rittern gestifteten Stadt Thorn. Hier geschah es, daß im Jahre 1724 ein polnischer Jesuitenschüler bei Gelegenheit einer Pro- cession einige evangelische Zuschauer, welche nicht niederknieen wollten, mißhandelte. Daraus entstanden thätliche Streitigkeiten und der Urheber des Lärms wurde von der Wache verhaftet. Zur Wiedervergeltung be- mächtigten sich die Jesuitenschüler eines lutherischen Studenten und sperrten ihn in ihr Kollegium ein. Darauf versammelte sich eine Menge Stu- denten und Handwerksburschen, drangen in das Kollegium ein und befreiten den Gefangenen nach lebhafter Gegenwehr, wo allerlei Gewaltthätigkeiten und Störungen vorsielen. Der Magistrat, den Jesuiten abgeneigt, unter- ließ die Bestrafung dieses Unfugs, was die Ordensglieder bewog, vor dem Reichstage, der drei Monate nachher in Warschau zusammentrat, Klagen zu erheben. Mit lautem Unwillen und großer Erbitterung wurde diese That von den Bischöfen und Ständen ausgenommen, welche letztere alle römisch geworden waren, seitdem man die Dissidenten von der Gesetzgebung ausgeschlossen hatte. Die Sache wurde einem besondern Gerichte zngewiesen. Dieses begab sich nach Thorn, hielt eine strenge Untersuchung und erklärte das Geschehene für Kirchenfrevel, weil unter den zerschlagenen und verbrannten Gerüchen Muttergottesbilder gewesen waren. Zugleich verlangte man von einem Rathsdiener die falsche Aussage, daß der Magistrat den Befehl zu dem Auslaufe und zur Bestürmung des Kollegiums gegeben hätte, weshalb das Gericht die zwei Bürgermeister nebst neun anderen Bürgern zur Enthauptung und ihre Familien zum Verluste ihrer Güter verdammte. Die Verurtheilten, die sich durch die Flucht leicht hätten retten können, verließen sich, im Bewußtsein ihrer Unschuld, auf die Gnade des Königs.
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