1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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war genug, um daraus die Folgerung abzuleiten, daß durch die Entstehung
vieler neuen akatholischen Gemeinden ganze katholische Pfarreien eingehen,
viele Geistliche und Bischöfe in ihren Einkünften stark geschmälert wurden.
So entstand ein Zusatz zu dem Toleranzgesetze des Inhalts: daß die
protestantischen Pfarrkinder außer der Erhaltung ihres Seelsorgers (dem
der Name eines Pfarrers versagt wurde) dem katholischen Pfarrer des
Ortes alle Kirchengebühren wie früher bezahlen müßten. Zu diesen Be-
schränkungen, welche nach der Verschiedenheit der betreffenden geistlichen
Behörde oft milder, oft härter sich gestalteten, kamen mit der Zeit noch
manche andere hinzu, und da die Neigung der östreichischen Völker zum
Protestantismus so stark war, daß ganze Dörfer und Gemeinden, die
bisher aus Zwang katholisch waren, nun öffentlich den evangelischen Glauben
bekannten, nahmen die Quälereien und Neckereien kein Ende. Selbst in
Ungarn, wo die Religionsfreiheit durch den Wiener und Linzer Frieden
gesichert war und die Protestanten von den katholischen Pfarrern unabhängig
blieben, fand mit der Zeit eine bemerkbare Bedrückung statt.
Was das Duldungsgesetz nicht ausgleichen konnte, sollte eine all-
gemeine Aufklärung des Volkes vermitteln, welche Kaiser Joseph, selbst
über so viele Vorurtheile erhaben, durch verbesserten Schulunterricht und
durch Preßfreiheit aus alleu Kräften zu fördern strebte. Er wollte sein
Volk betriebsam, wohlhabend, in allen Kriegs- und Friedenskünsten aus-
gezeichnet haben, und errichtete zu diesem Zwecke nicht nur höhere Lehr-
anstalten, sondern auch Volksschulen, die bisher selbst in Deutschland
noch selten waren. Hier war es, wo er mit freigebigen Händen seine
Ersparnisse spendete. Außer den eingezogenen Kirchengütern wurden große
Summen zu diesem Zwecke verwendet, und ein Jahrhundert wiegt die
zehn Jahre seiner Regierung hinsichtlich des gewaltigen Schwunges nicht
auf, welchen Oestreich durch die freie Presse gewann.
Joseph's neues Staatsgebäude, so frühe und vereinzelt aus dem
Boden der neuen Geschichte erwachsen, ohne die nachhaltige Festigkeit,
welche nur die materielle Gewalt einem Jdeenumschwunge dieser Art zu
verleihen vermag, durfte leider nicht in seinem ganzen Umfange bestehen.
Bald vereinigte sich die Habsucht der Großen mit der Herrschsucht der
Geistlichen, um dem edlen Monarchen, welcher gewiß einzig und allein
das Heil seines Volkes im Auge hatte, mit gewaltsamem Widerstande
entgegenzutreten. Es gelang ihrem heimlichen Einflüsse, einen Theil des
Volkes gegen den wohlmeinenden Kaiser aufzureizen. Wie Joseph in
seinen Unternehmungen viel zu rasch zu Werke ging, und in wenigen
Jahren durch eigene Gewalt, im Uebermaß des edlen Strebens, Dinge
ausführen wollte, die nur in mehreren Menschenaltern reifen können, so
mußte er selbst gar manchen Schritt zurück thun, bevor die Besserung nur
einigermaßen Raum gewonnen hatte. Am meisten war dies in Ungarn
der Fall, wo er die alte Verfassung Umstürzen, die deutsche Sprache in
Gerichten und Schulen einführen und dieses Reich, gleich einer Provinz,
Oeser's Weltgeschichte. Iii. 5. Ausl. 25