1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
475
lichen Lebenspoesie eine weitere Verfolgung und Nachahmung nicht ge-
statteten, das poesiebedürftige schöpferische Gemüth nach anderen Seiten
flüchtete, und ein großes Verdienst der Romantiker war es, daß sie
edle alte oder fremde Stoffe aufgriffen und in entsprechender Form bei
uns einführten. So die Uebersetzungen von Shakespeare, Cervan-
tes, Dante, die Bearbeitung des Nibelungenliedes u. a. m. —
Aber auch im Gebiet der eigentlichen deutschen Romantik, des däm-
merig glänzend geheimnißvollen Webens poetischer Stimmungen und Ge-
fühle im Reiche des Mährchenhaften, der Sagen, Legenden und alten
Rittergeschichten ist viel Schönes und Herrliches geschaffen worden. Wenn
ich ein Motto für diese Richtung wählen sollte, so möchte es Ti eck's
bezeichnender Vers sein:
„Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält —
Wundervolle Mährchenwelt,
Steig' auf in der alten Pracht!"
Nachdem die Pforte geöffnet ist, mögen die einzelnen Gestalten näher
herantreten.
Die beiden Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel
müssen zuerst genannt werden, deren kritisch ästhetische und dichterische
Wirksamkeit von großer Bedeutung war. Mit der Zeitschrift Athenäum
inachten sie freie Bahn, und die deutsche Bildung gewann besonders durch
August Wilhelm Schlegel's geistreiche und feine Vorlesungen
über draiuatische Kunst und Literatur neue gesunde Anschauun-
gen, so wie die meisterhafte Uebersetzung Shakespeare's und der spa-
nischen Dichter sein ewiges Verdienst bleibt.
Friedrich von Hardenberg gilt, unter dem Dichternamen No-
valis, nebst Ludwig Ti eck als das Haupt der Romantiker. Sinnig
und schwermuthsvoll, durch eigene Kränklichkeit und den Tod einer über
Alles geliebten Braut in tiefster Seele wund, fein, geistreich, phantastisch
und im höchsten Grade empfindsam, steht er in seiner sehnsüchtigen und
schwermüthigen Poesie kaum noch flüchtigen Fußes auf dem Boden der
Wirklichkeit. Die Poesie galt ihm als einziger Mittelpunkt aller geisti-
gen Lebensthätigkeit, seine ganze Weltbetrachtung ward unmittelbar zu
einem großen Gedicht. So zeigt er sich in seinem wunderbaren mähr-
chenhaften Roman oder romanhaften Mährchen, Heinrich von Oster-
d in gen, in welchem er die Summa seiner Lebens- und Gesühlsan-
schauungen niederlegte, so in seinen Gedichten, deren schönste reli-
giösen Inhalts sind, so in den Aphorismen, einem reichen Schatze
poetisch-philosophischer Gedanken, die, wie Alles, was sein Geist er- >
zeugte, in die eigenthümlich düster gefärbten Schleier einer unheilbaren
Sehnsucht gehüllt sind. Er starb frühe, schon im 29. Jahre seines Al-
ters (1801).