1860 -
Freiburg
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die ältesten Staaten.
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heißt das seit Nabopolassar in Babylon herrschende Volk Chaldäer,
welches vielleicht aus dem Gebirgsland Chaldäa am obern Tigris einwan-
derte) hatten unter Nebukadnezar treffliche Gelegenheit ihre Wiffenschaft
und Kunst zu zeigen. Die großen Wasserwerke und Bauten beweisen,
daß ste zu messen und zu rechnen verstanden, was ihnen auch das ganze
Altcrthum nachrühmte und neuere Forschungen bestätigen. Sie be-
stimmten Gewicht und Maß zuerst rationell; ein Würfel Regenwasser,
dessen Seiten je eine babylonische Elle maßen, war das Gewicht des
babylonischen Talents (822,000 Pariser Gran), das ste in 60 Minen
thcilten, welche Gewichtsbestimmungen sich über ganz Vordcrasicn und
von da nach Griechenland und Italien verbreiteten, wo ste aber manche
Abänderungen erfuhren. Die babylonische Elle maß 234 Pariser Linien,
der Fuß z/3 der Elle oder 156 Pariser Linien.
Z 102. Den babylonischen Priestern verdankte das Alterthum auch
astronomische Kenntnisse; ste kannten oder erfanden den Thier-
kreis, berechneten die Länge des Jahres fast ganz genau und verstanden
dasselbe in Monate und Wochen einzutheilen; so berechneten ste auch
die Mittagshöhe der Sonne, und da ste seit einer langen Reihe von
Jahrhunderten Verzeichnisse der beobachteten Himmelserscheinungen
führten, so konnten ste die Sonnen- und Mondsfinsternisse Voraus-
sagen. Sie waren aber auch berüchtigte Astrologen, wahrscheinlich
Urheber dieses Aberglaubens, dessen Spuren noch heute nicht ver-
schwunden sind. Er wurzelte in ihrer Religion; diese enthielt (wie die
Fragmente des Berossus beweisen) manche Anklänge an die wahre Re-
ligion, z. B. in der Sage von der Schöpfung, der Sündfluth, ging
aber frühe in die Vergötterung der Naturmächte über. Höchster Gott
war Baal oder Bel, höchste Göttin Baaltis oder Mylitta mit unzüch-
tigem Kult; unter den Gestirnen wurden besonders die Planeten verehrt.
Z 103. Die Schrift der Babylonier (auch der Affyrer, Meder,
Perser) war eine sogenannte Keilschrift oder Nagelschrift,
d. h. zugespitzte Striche in verschiedener Zahl und Lage bezeichnten
die Laute. Diese grub man (wenigstens sehr häufig bei Urkunden)
in weiche Thoncylinder ein, welche hierauf gebrannt wurden und
demnach vielen Gefahren der papiernen oder pergamentnen Schriftstücke
nicht ausgesetzt waren. Von der Skulptur und Malerei der Babylo-
nier geben die Ausgrabungen Zeugniß, welche man in neuester Zeit
in den Schutthügeln der babylonischen Ebene veranstaltete; auch Nini-
vehs Reste werden erforscht und die Ergebnisse bezeugen die nahe Ver-
wandtschaft des assyrischen und babylonischen Volkes. In den großen
Städten herrschte ein Luxus in Putz, Kleidung und Wohnung und eine
üppige Lebensweise, wie ste noch heute bei den reichen Orientalen ge-
wöhnlich ist; und wie man heute persische Teppiche, Säbel, Arbeiten in
Gold und Silber, Leder, in Europa hochschätzt, so lieferte Babylon
schon in ältester Zeit seine Leinwand, wollene prächtig gefärbte Ge-
wänder und Teppiche, Schmucksachen aus edeln Metallen, Steinen,
Elfenbein re. Keine von den jetzigen Städten des Orients hat aber solch'
ein Verkehrsleben wie vor Zeiten Babylon, wohin aus dem persischen
Meerbusen die Erzeugnisse Ostindiens und des glücklichen Arabiens,
Armeniens und des arischen Hochlandes, sowie die vielartigen Waaren
der Phönikier als auf einem Hauptmarkte zusammentrafen.