1860 -
Freiburg
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der alten Welt.
zu, daher wurde schon damals Wohlredenheit sehr hoch geschätzt; denn
wenn auch das Volk nur sein Wohlgefallen oder Mißfallen kundgeben
und nicht eigentliche Beschlüsse fassen konnte, ein frecher Schreier wohl
selbst durch Streiche zur Ruhe gewiesen wurde, so konnte doch bei ent-
schiedenem Widerwillen des Volkes keine bedeutende Unternehmung aus-
geführt werden.
§ 166. Mit dem Könige saßen die Edlen auf freiem Platze auf geglät-
teten Steinen zu Gericht, hörten Rede und Gegenrede der Streitenden,
während das Volk Herumstand und durch Zuruf Partei nahm; wie bei
öffentlichen Berathungen hielt der König durch seinen Herold Ordnung
und sorgte dafür, daß der Ausspruch des Gerichtes Gehorsam fand.
Mord war ein sehr häufiges Verbrechen, gewöhnlich aus Rache oder im
Zorne verübt, und wie alle Südländer suchte auch der Grieche den
Gegner durch Ueberraschung oder Hinterlist zu überwältigen, vermied
den Zweikampf und kannte den germanischen Begriff der Ehre nicht.
Der Mörder verfiel aber der Blutrache der Verwandten des Ermor-
deten; er entstoh daher gewöhnlich und wurde erst wieder in den Ge-
meindeverband und damit in den Schutz der Gesetze ausgenommen,
wenn er die Verwandten durch die Entrichtung der bedungenen Sühne
von der Pflicht der Blutrache entbunden hatte.
Verhältniß § 167. Der Fremde galt als Feind, daher Seeraub, Plünderung
ru d^Frem- Hemden Gebietes und Menschenraub Thaten waren, die den Häuptlin-
gen, besonders jugendlichen, große Ehre einbrachten. Der fremde Wan-
derer, Flüchtling re. schützte sich aber dadurch, daß er sich als Gast, wo
möglich in ein vornehmes Haus, aufnehmen ließ; die Gastfreund-
schaft war gegenseitig, vererbte sich von Geschlecht zu Geschlecht und
wurde heilig gehalten; viele und weit entfernte Gastfreunde zu haben
gehörte zur Auszeichnung des Königs.
§ 168. Wie die kleinen griechischen Staaten den orientalischen Reichen
keineswegs glichen, so wenig Aehnlichkeit hatten auch die griechischen
Könige mit den Despoten Asiens und Aegyptens. Das Volk entrichtete
keine Abgaben an den König (jedoch bei außerordentlichen Fällen eine Bei-
steuer) und leistete auch keine Frvhndienste, weder dem Könige, noch den
Edlen. Feldarbeit aus eigenem Gute entwürdigte nicht; selbst Könige
spannten die Stiere vor den Pflug und machten sich eine Ehre daraus
den schweren Boden in geraden Furchen zu durchschneiden; Königösöhne
bewachten die weidende Heerde, während die Mutter im weiten Ge-
mache des Palastes mit den Mägden spann und wob; die Arbeit war
©ffiwn, demnach nicht dem gemeinen Manne und den Sklaven allein überlassen.
Sklaven fanden sich nur im Hause des Königs und der Edlen und wur-
den in der Regel sehr milde behandelt, wir sinden sie sogar in einem
wahrhaft freundschaftlichen Verhältnisse zu dem Herrn stehend; doch
züchtigt der zornige Herr auch willkürlich, tödtet den Widersetzlichen und
läßt den Verräterischen eines qualvollen Todes sterben.
s 169. Das königliche Haus war sehr geräumig, aber Wände
und Säulen waren nur aus Holz; der König selbst nahm bei dem Bau
Richtschnur und Beil zur Hand; Steinbauten alter Könige schrieben die
Griechen fabelhaften oder fremden Meistern, z. B. lykischen, zu; von
Tempeln ist bei Homer sehr selten die Rede, nur einmal von dem höl-
zernen Bilde einer Göttin. Man opferte in der Regel im Freien.