1860 -
Freiburg
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Griechen.
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den Verband der Phratrieu ausgenommen, wobei die Eupatriden die
priesterlichen Ceremonien verrichteten.
Sie waren als die großen Grundbesitzer auch die Kapitalisten, Das Schuld-
denen die kleinen Bauern tief verschuldet wurden; denn der Zinsfuß ircum'
war ungemeffen hoch, und wenn der Schuldner den Zins nicht entrich-
ten konnte, so wurde der Zins zum Kapital geschlagen und die Heim-
zahlung der Schuldsumme für den Schuldner geradezu unmöglich. Dann
legte der Gläubiger seine Hand auf das Gut und ließ sich von dem
Schuldner, der es bearbeitete, 5/6 des Ertrags abgeben, während, wie
erzählt wird, die Heloten den halben Ertrag behalten durften. Nicht
weniger als über die Schuldknechtschast klagte das Volk über das Ge-
richtswesen; denn die Gerichtsherren sprachen nach dem herkömmlichen
Rechte, das aber nicht geschrieben war, so daß die Gerichtsherren selbst
die Quelle waren, aus welcher sie das Urtheil schöpften. Die Unzu-
friedenheit der unteren Stände muß sehr groß gewesen sein, als die
Eupatriden endlich nachgaben, in das Begehren, daß die geltenden
Rechtösätze ausgeschrieben und zu jedermanns Einsicht aufgestellt werden
sollten, einwilligten und dies Geschäft ihrem Standesgenossen Drakon Drakan620
anvertrauten. Derselbe übertrug das Blutgericht einem eigenen"'
Kollegium (den Epheten) und stellte eine Art Gesetzbuch auf; er stei-
gerte darin das Recht des Gläubigers so weit, daß er den Schuldner
nicht nur zur Knechtsarbeit verwenden, sondern auch als Sklaven ver-
kaufen durfte; auch setzte er auf alle Vergehen sehr hohe Strafen, Ln
vielen Fällen die des Todes.
§ 211. Das beruhigte das gemeine Volk nicht, und seine Erbitte-
rung benutzte der Eupatride Kylon, um mit Hilfe seines Schwieger-Kylon.
Vaters, des Tyrannen Theagenes von Megara, sich die Tyrannie
in Athen zu erringen. Er bemächtigte sich mit seinem Anhänge der
Burg, doch der Haß gegen das dorische Megara überwog bei dem Volke
die Erbitterung gegen die Aristokratie; Kylon wurde in der Burg be-
lagert, entrann zwar selber, aber seine durch Hunger zur Uebergabe ge-
nöthigten Anhänger wurden wortbrüchig von dem Alkmäoniden Mega-
kles umgebracht. 6l2v.chr.
§ 212. Die Unzufriedenheit des Volkes nahm aber um so mehr
zu, als auch sein Gewissen beunruhigt war, weil bei der Ermordung
der Anhänger Kylons auch die Altäre mit Blut befleckt wurden, was
nach dem Glauben der Zeit von den Göttern unfehlbar früher oder
später gerächt wurde. Es half nicht, daß eine Schaar Unzufriedener
als Kolonie nach Sigeum in Troas abgeschickt wurde, die Kraft des
Staates erlahmte dergestalt durch die herrschende Zwietracht der Stände,
daß Athen die Insel Salamis an Megara verlor.
§ 213. Endlich wandten sich die Eupatriden an ihren Standesge- Salon um
noffen S olon, der bei den unteren Ständen ebenso angesehen als ^oov.chr.
beliebt war; denn er war aus dem Geschlechte des Kvdrus, ein tüch-
tiger Krieger, Redner und Dichter; welterfahren (in Handelsgeschäften
hatte er nämlich Asien und Aegypten besucht), reich und machte von
seinem Reichthume liberalen Gebrauch. Die Tyrannie wäre ihm zu-
gefallen, allein er wollte sie nicht, die Eupatriden sahen aber in ihm
den einzigen Mann, welchem sie die unumgänglich nothwendige Ver-
mittlung der Stände übertragen konnten, daher wählten sie ihn zum 594v.chr.