1860 -
Freiburg
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der alten Welt.
die geringste Mühe populär zu werden, denn er hob die Komitial-
w ah len auf, so daß sich das römische Volk nur mehr versammelte,
wenn es eine kaiserliche Spende in Empfang nahm, was unter der Re-
gierung des Tiberius nicht oft geschah, und bewies nicht das geringste
Interesse für die öffentlichen Spiele, welche nächst dem täglichen
Brot dem römischen Volke die wichtigste Angelegenheit waren.
§ 566. Auch das Schauspiel des Triumphes gewährte er dem
Volke nur einmal und dazu sehr ungerne. Auf die Kunde von dem Tode
des Augustus hatten sich die Legionen in Pannonien empört und obwohl die
ärgsten Meuterer ihre Kühnheit mit den Köpfen bezahlten, so mußte der
Kaiser doch eine kürzere Dienstzeit bewilligen. Bei den rheinischen
mifistfien Legionen war dasselbe geschehen und sie hatten überdies ihren Befehls-
Stämmcn. Haber Germanikus, den Sohn des Drusus und Adoptivsohn des
Tiberius, zum Kaiser ausrufen wollen, so daß nur die Treue des Ger-
manikus einen Krieg um das Erbe des Augustus verhinderte. Diese
Legionen führte Germanikus dreimal über den Rhein, erfocht an der
Weser einen bedeutenden Sieg über Armin, verlor aber in kleinen
Tressen durch den Feind viele Leute und noch mehr durch den Unter-
gang seiner Flotte in der stürmischen Nordsee, behauptete auch nicht
17 n. Chr. einen neuen Posten jenseits des Rheines und wurde endlich von Tibe-
rius abberusen. Dieser sagte, es sei der römischen Ehre genug geschehen
und man könne die Germanen getrost ihren eigenen Streitigkeiten über-
lassen, worin er auch gar nicht Unrecht hatte. Denn schon im Jahre
19 n. Chr. führten Armin und Mar ob od die Macht des cheruski-
schen und markomannischen Bundes gegen einander und maßen sich
in einer blutigen Schlacht; sie hätte nichts entschieden, wenn nicht der
Uebertritt der Longobarden den Marobod zum Rückzuge nach
Böhmen gezwungen hätte, wo er das folgende Jahr durch einen Auf-
stand vertrieben wurde. Er flüchtete nach Italien und aß noch manches
Armins Tod. Jahr das römische Gnadenbrod; sein Gegner Armin aber, in welchem
selbst die Römer den Befreier Germaniens anerkannten, wurde wahr-
scheinlich im gleichen Jahre von seinen Verwandten ermordet, weil
diesen die gebietende Stellung des Volkshelden unerträglich schien.
Z 567. Im Jahre 19 starb Germanikus in Asien, wohin er
von Tiberius geschickt worden war, um die gestörten Verhältnisse mit
den Parthern zu ordnen. Das Volk glaubte, er sei auf Anstiften des
Tiberius vergiftet worden und das Benehmen seiner stolzen Wittwe
Agrippina schien diesen Argwohn zu bestätigen. Seitdem verwan-
delte sich Tiberius in einen Tyrannen, dessen Menschenverachtung sich
zum Menschenhaß steigerte, der nur noch für Grausamkeiten und Lüste
zu leben schien. Er wußte, daß er sich nur auf das Militär verlassen
konnte, daher verlegte er alle prätorianischen Kohorten nach Rom und
wählte auch den Präfekten derselben, Sejanus, zu seinem Freunde.
Dieser entwarf aber keinen geringeren Plan, als sich selbst die Allein-
herrschaft zu erwerben; deßwegen räumte er zuerst den Sohn des Tibe-
rius, den heftigen Drusus, durch Gift aus dem Wege und wußte den
Kaiser gegen die Wittwe des Germanikus und die zwei ältesten Söhne
derselben, Nero und Drusus, mit solchem Mißtrauen und Hasse zu er-
füllen, daß von ihnen das Verderben selbst dann nicht abgewcndet wurde,
als Sejan untergegangen war. Denn der Kaiser entdeckte dessen Absich-