1862 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
212 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs Xiv. re.
Auf gute Sitte hielt er strenge und gab selbst das beste Beispiel; ebenso
mußte die genaueste Ordnung beobachtet werden; Trägheit duldete er
nicht, bei seinen Angestellten so wenig als bei Bürgern und Bauern,
und machte sich nichts daraus, persönlich mit dem Stocke einzuschreiten.
Der eingerissenen Kleiderpracht und Modewuth kündigte er einen un-
versöhnlichen Krieg an und ließ die verbotenen Kleider, wenn sie trotz-
dem jemand trug, an dem Leibe zerreißen. Die Franzosen konnte er
nicht ausstehen, ihr Hochmuth, ihre Lüderlichkeit und Arglist waren ihm
gleichsehr zuwider. Auch aus die Gelehrten hielt er nicht viel; dem
Philosophen Wolf in Halle befahl er bei Strafe des Galgens die Stadt
binnen 24 Stunden zu verlassen, denn er hatte den Philosophen im
Verdachte des Unglaubens und war ein sehr eifriger Protestant, ohne
sich jedoch mit theologischen Fragen nur im mindesten abzugeben. Um
so mehr respektierte Friedrich Wilhelm I. die sogenannten praktischen
Künstler und Gewerbsleute; ein fleißiger Bürger wurde belobt, wenn
er dem Könige unter die Augen kam, sowie er unfleißige strafte und
sogar, wie es mehrmals in Berlin auf öffentlicher Straße geschah, ab-
prügelte. In dieser Hinsicht glich er demnach Peter dem Großen, und
in der Rohheit seiner Spässe mahnte er gleichfalls an den nordischen
Herrscher; auch er liebte es fremde Priüzen betrunken zu machen oder
ihnen durch Nöthigung zum Tabakrauchen die übelsten Zustände zu be-
reiten. Er war eigentlich der Zuchtmeister seiner Unterthanen, der vor-
nehmen wie der geringen, denn er prügelte und ließ aufhenken ohne auf
Standesunterschied zu sehen. Widerspruch duldete er keinen; als er Ber-
lin zu einer großen Stadt machte, befahl er manchem Unterthanen ein-
fach: „der Kerl hat Geld, er soll bauen."
Friedrich Wilhelm war ein großer Freund des Militärs und hielt
immer ein zahlreiches, wohlausgerüstetes Heer bereit, indem er darin
die beste Bürgschaft der Ruhe und des Respekts von Seiten anderer
Staaten erblickte. Doch suchte er keinen Krieg; er nahm zögernd an-
dem gegen Schweden 1715 Theil und erwarb Stettin mit einem Theile
von Pommern; die Grafschaft Limburg erbte er. Seine Soldaten wurden
von ihm und dem alten Dessauer mit unerhörter Strenge eingeschult.
Da mußte der Soldat in Haltung, Rüstung und Kleidung bis auf Zopf
und Knopf im tadellosesten Zustande sein, wenn er nicht tüchtige Prügel
wollte. Doch wurde darüber die Hauptsache keineswegs vergessen; die
Soldaten waren auch in jeder kriegerischen Uebung vortrefflich unter-
richtet und handhabten besonders die Muskete mit ausgezeichneter Ge-
wandtheit; der alte Dessauer führte damals die eisernen Ladstöcke ein.
Lächerlich war jedoch des Königs Vorliebe für recht große Soldaten;
zu seiner Riesengarde warb er Leute aus ganz Europa zusammen und
ließ sie auch mit Gewalt wegholen. Fürsten und Grafen schenkten ihm