1862 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Die Zeit von 1815 bis 1857.
diesem Jahre vertrieb er die Jesuiten aus allen großen Städten, 1820
aus ganz Rußland und konfiscierte ihre Güter; gleichzeitig stellte er
aber auch die eifrige Geschäftigkeit der protestantischen Bibelgesellschaften
ein, verbot 1822 die Freimaurerei, die Betversammlungen und die Mis-
sionsgesellschaften. Wie Peter I. sah er zuletzt in der militärischen Ver-
fassung des Reichs die Bürgschaft für dessen Ruhe, Wachsthum und
Macht nach außen; diese Verfassung verstärkte er durch die Gründung
von Militärkolonieen nach dem Plane des Generals Arakschejew. Dieser
zielte darauf hin, die Soldaten zu Kronbauern und die Kronbauern zu
Soldaten umzuschaffen, indem eingeübte Soldaten in den Dörfern bei
den Bauern angesiedelt werden, die Gemeinde eine militärische Ordnung
erhält, der ganze männliche Nachwuchs zur Landarbeit und zum Waffen-
dienste herangezogen wird, während der weibliche die Bestimmung hat,
Soldatenweiber und Soldatenmütter zu werden. In wiefern die Aus-
führung dieses Plans vorgeschritten ist, darüber verlautet keine sichere
Kunde; doch sollen dergleichen Reiterkolonieen weithin über Asien ver-
breitet sein, während auf europäischem Boden die Fußgängerkolonieen
vorherrschen. Gelingt die Durchführung dieses Systems, so gewinnt
nicht allein der Landbau in Rußland Hunderttausende von kräftigen
Armen, sondern es wird auch die russische Landmacht in einer Weise
verstärkt, daß sie nach einigen Generationen die ganze alte Welt be-
zwingen kann. (Dem Wesen nach sind die Militärkolonieen seit einigen
Jahren als unhaltbar aufgegeben.)
Dem Gange der russischen Entwicklung, die Peter I. vorgezeichnet
hat, die folgerichtig durchgeführt zur Weltherrschaft führen muß, legte
Alerander selbst einen Hemmschuh an, indem er ein Königreich Polen
konstituierte. Er gab demselben zwar nur die sehr mäßige Größe von
2300 lumeilen mit nicht 4 Millionen Bewohnern, aber eigene Fi-
nanzen, welche der Fürst Lubecki trefflich ordnete, eigene Gesetzgebung,
selbst eine sehr liberale Repräsentativ-Verfassung mit zwei Kammern, und
endlich ein eigenes Heer von 50,000 Mann, das größtentheils von Ge-
neralen und Offizieren kommandiert wurde, die unter den französischen
Fahnen gegen Rußland gefochten hatten. Die Folgen zeigten sich bald;
dem griechischen Rußland stand ein katholisches Polen gegenüber, der
Autokratie eine konstitutionelle Verfassung, der russischen Armee eine
polnische, dem weltherrschenden Gedanken Peters I. die neubelebte Hofft
nung Polen wieder herzustellen, d. h. Rußland den rechten Arm abzu-
schlagen, den es über Europa ausstreckt. Bald zeigte sich in dem pol-
nischen Reichstage eine Opposition; sie erzürnte den Kaiser, nahm aber
dessenungeachtet an Größe zu und wurde endlich zur Mehrheit. Es
bildeten sich Verschwörungen, die theilwcise entdeckt und bestraft wurden,
andere aber konnte die geheime Polizei nicht auffinden, noch deren Fort-