1862 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
England. Verfaffungsreformen.
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so verfuhr sie nun auch gegen O'connells Monstremeetings, seine Re-
pealversammlungen, an denen die Iren sich zu Hnnderttansenden be-
theiligten. O'connell selbst wurde prozessiert, und obwohl ihn ein Be-
schluß des Oberhauses aus der Haft befreite, so hatte doch auch die
Nepealbewegung ihr Ende gefunden. (O'connell starb auf einer Reise
nach Rom zu Genua am 15. Mai 1847.) Das Jahr 1846 brachte für
Irland eine Hungersnoth und mit derselben namenloses, gräuelhaftes
Elend, Unruhen und Mordthaten, in Folge davon stärkere Besetzung
und militärische Erekutionen, zugleich aber auch einen Parlamcnts-
beschluß, der 8 Millionen Pfd. St. zur Unterstützung Irlands bewilligte.
So theuer kommt Irland die Engländer zu stehen, und doch können sie
voraussichtlich die Insel ebenso wenig befriedigen als loslassen; seit
1847 hat aber der irische Erodus begonnen, die massenhafte Auswan-
derung besonders nach Nordamerika, die bis heute bereits gegen zwei
Millionen Irländer ihrer unglücklichen Heimath entführt hat, so daß
bei deren Fortdauer das englische Element auf Irland mit der Zeit das
Uebergewicht erreichen dürste.
Die englische Verfassung erfuhr durch die sogenannte Reformbill
im Jahre 1832 eine tiefer greifende Aenderung als 1829 durch die
Emancipationsakte. Eine Parlamentsreform wurde zwar seit 1792 von
wighistischen Staatsmännern angeregt, jedoch ohne allen Erfolg, bis
durch die Emancipation die Bahn der Reform gebrochen war. Das eng-
lische Unterhaus bestand wie jetzt aus 658 Mitgliedern, die theils
von den Grafschaften, theils von Städten, theils von Korporationen und
endlich von den sogenannten Burgflecken gewählt wurden. Solcher Burg-
flecken hatte England allein 204; über 195 derselben hatten Privatmän-
ner das Patronatrecht; 75 derselben waren im Laufe der Zeit so unbe-
deutend geworden, daß kein einziger 50 Wähler aufzuweisen hatte. Be-
greiflich wählten diese Flecken (Rotten boroughs, d. h. verfaulte Flecken
zur Zeit der Reformbewegung genannt) entweder unter dem Einflüsse
ihrer Patrone, oder sie verkauften ihre Stimmen geradezu, sie befanden
sich mit einem Worte in den Händen der englischen Aristokratie, die so-
mit auch im Unterhause über ungefähr 300 Stimmen zu verfügen hatte.
Die englische Aristokratie hat demnach bis in die neueste Zeit die parla-
mentarische Regierung des Reichs geleitet, und da England während
dieser Zeit immer mächtiger, reicher und unangreifbarer wurde, so ist
damit ein tatsächliches Urtheil über diese Aristokratie gegeben, vor dem
alle demokratischen Deklamationen zerstäuben. Auch die von Lord John
Russell am 23. Febr. 1830 (also vor der Julircvolution) beantragte
Parlamentsreform war durchaus nicht nach dem Maßstabe der neueren
Demokratie zugeschnitten, indem durch dieselbe eine bestimmte Anzahl so-
genannter verfaulter Flecken ihr besonderes Repräsentationsrecht verlieren,