1862 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Die Zeit von 1815 bis 1857.
einer liberaleren Wendung der Politik des französischen Bürgerkönigs
und schaarte sich um den Fürsten Czartoryski, der von einer Seiten-
linie der Jagellonen stammt, und designierte ihn zum König; der größere
Theil aber schloß sich den republikanischen Parteien an, indem er von
der Mattherzigkeit der französischen Liberalen so wenig als von den eng-
lischen Whigs hoffte und zu der Ueberzeugung gekommen war, daß nur
durch die gewaltsamste Erschütterung des europäischen Staatengebäudes
die Wiederherstellung eines polnischen Reiches möglich werde. Diese
Partei unterhielt von Paris aus einen lebhaften Verkehr mit den Un-
zufriedenen in Russisch-, Preußisch- und Oesterreichisch-Polen; in Paris,
als dem Hauptquartier der europäischen Revolution, wurden die großen
Operationen entworfen, Krakau aber war für Polen, was Paris für-
ganz Europa und überdies zum Stützpunkt der nächsten polnischen Re-
volution bestimmt. Diese kleine Republik, welche 1815 durch eine Laune
der Großmächte als selbstständiger Staat zwischen Schlesien, Galizien
und Russisch-Polen hingestellt war und als ehemalige Krönungsstadt der
polnischen Könige die Hoffnungen auf eine Krönung lebendig erhalten
mußte, war von 1815 —1830 von Beamten geleitet worden, die dem
russischen Einflüsse fast unbedingt gehorchten; die Warschauer Revolution
hatte aber eine Bewegung in Krakau zur Folge, durch welche die bis-
herigen Beamten entfernt und mit polnisch Gesinnten vertauscht wurden.
Krakau unterstützte den polnischen Krieg von 1831 durch Geldopfer und
Freiwillige, nahm auch viele Flüchtlinge auf, wurde darum nach dem
Falle Warschaus von dem russischen General Rüdiger besetzt, von den
Flüchtlingen gesäubert, jedoch bald wieder geräumt. Schon damals
sollen sich die drei Schutzmächte über die allenfalls nöthige Aufhebung
des Freistaates verständigt haben und sie warnten die Regierung in den
folgenden Jahren zu wiederholtenmalen, als Krakau abermals der Sam-
melplatz vieler Flüchtlinge und der Brennpunkt der revolutionären Ent-
würfe wurde. Die Regierung entschuldigte sich jedoch damit, sie könne
der Volksstimmung gegenüber den Weisungen der Schutzmächte nicht ent-
sprechend Nachkommen, die Propaganda schaltete ungestört weiter und
wagte es 1835 einen gewissen Pawlowski, der ein geheimer Agent der
russischen Polizei sein sollte, durch Meuchelmord aus dem Wege zu
schaffen, ohne daß der Thäter entdeckt worden wäre. Die Schutzmächte
verlangten darauf im Februar 1836 die Entfernung der Flüchtlinge,
und als diese dennoch blieben, weil sie niemand zum Fortgehen zwang,
so rückten am 17. Februar österreichische, am 20. russische und am 22.
preußische Truppen ein, über welche insgesammt der österreichische Gene-
ral Kaufmann den Oberbefehl erhielt. Als Krakau von Flüchtlingen
frei und die Regierungsgewalt durch eine Verfassungsänderung gestärkt
war, zogen die russischen, preußischen und die meisten österreichischen