1862 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
708
Die Zeit von 1815 bis 1857.
wehrten sich wie verwundete Löwen, die Hauptleute der Sipahis aber
waren nicht im Stande, ihre Truppen wie englische Obersten und Ge-
nerale zu befehligen und zu leiten. Schon im Juni stand ein kleines
englisches Korps vor Delhi und behauptete seine Stellung trotz der
verzweifelten Angriffe der wenigstens fünfmal stärkeren Sipahis; aus
dem Pendschab führte General Nicholson Verstärkungen herbei, vom
mittleren Ganges, wo der alte Held H avelo ck Kawnpur wieder erobert
hatte, General Neil, und vom 16.—20. September nahmen 7000 Eng-
länder, Sikhs und Gorkas unter General Wilson Delhi mit Sturm.
Seitdem koncentrierten sich die Streitkräfte der Insurgenten in Audh
und in dessen Hauptstadt Lakhno (Lucknow), das der englische Ober-
befehlshaber Kolin Kamp bell am 17. November nach ötägigen wüthen-
den Kämpfen erstürmte. Obwohl sich die Mehrzahl der Sipahis aus der
Stadt rettete, und in einer andern sich festsetzte, obwohl nach dem letzten
Schlage, der den rebellischen Heerhaufen traf, ein Bandenkrieg entstand,
so war doch die englische Herrschaft in Indien bereits wieder hergestellt.
Die Hauptsache war eigentlich schon entschieden, als es den Insurgenten
nicht gelang, die englischen Truppen vor dem Eintreffen der Verstär-
kungen vom Kap, von St. Mauritius und von England selbst in die
Küstenplätze zu vertreiben und Havelock statt des Forts William in Kal-
kutta die Citadelle von Lakhno vertheidigte.
Was wäre aber aus der englischen Herrschaft in Indien geworden,
wenn der Timuride in Delhi auch nur 5000 Franzosen oder Russen ge-
gen die Engländer hätte führen können? Doch die Franzosen müßten den
langen Seeweg nach Indien einschlagen und dieser ist verlegt, so lange
die englischen Schiffe das Meer beherrschen; die Russen aber haben keinen
andern Zugang als durch Afghanistan, und vorerst ist noch nicht einmal
Persien russisch, vielweniger Afghanistan, der Vorhof zu den Thoren,
die durch den Hindukusch an den Indus führen. Als 1820 die spani-
schen Kolonieen in Amerika in vollem Aufstande gegen das Mutterland
begriffen waren und die königliche Regierung zu Kadiz eine beträchtliche
Streitmacht versammelte, welche Spaniens Stellung auf der andern He-
misphäre, seinen Platz unter den Großmächten, zu retten bestimmt war,
so wußten die Häupter der spanischen Liberalen nichts Besseres zu thun,
als die Truppen gegen die Ueberfahrt nach Amerika aufzuwiegeln, durch
sic die Konstitution und damit den Bürgerkrieg ausrufen zu lassen; in
England aber verstummte bei der Gefahr Britischindiens alles Partei-
geschrei, selbst der darbende arbeitslose Fabrikproletarier hielt an sich, die
Regimenter drängten sich zur Einschiffung, obwohl sie wußten, daß kaum
der fünfte Mann aus Indien zurückkommt; die Nation wie die Regie-
rung beharrte in ruhigem, unerschütterlichem, würdigem Selbstvertrauen.
Welch ein Volk, das im Zeitalter der Revolutionen nicht revolutioniert