1867 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Neue Geschichte. 1. Periode. Schweiz.
wenn du kömmst?" fragte Anna weiter. — „Segen nach dunkler
Nacht!" sprach er mit fester Stimme. Dann küßte er die Klei-
nen, riß sich los und eilte fort. Noch sah ihm Anna mit ge-
preßtem Herzen nach, und als er um die Ecke der Straße bog
und sie ihm das letzte Lebewohl zugewinkt hatte — da hatten
sich Beide hienieden das letzte Mal gesehen.
Anna warf sich weinend mit ihren Kindern in der einsamen
Kammer auf die Kniee und betete zu Dem, der im Gebete Kraft
giebt: „Vater, nicht mein, dein Wille geschehe!" Auch sie erhielt
diese Kraft, so daß sie nicht erlag, als die Kunde kam, daß die
Schlacht verloren gegangen und ihr geliebter Gatte umgekommen sei.
Am 11. Nov. 1531 war es bei Cappel, zwischen Zürich
und Zug, ani südlichen Abhange des Albis, zur Schlacht gekom-
men. Die Züricher wurden von der Uebermacht der katholischen
Cantons besiegt; auch Zwingli, der unter den Vordersten kämpfte,
wurde mit Wunden bedeckt, sein Pferd getödtet; zuletzt sank er
selbst nieder. Eben erst hatte er einem Sterbenden trostreiche
Worte zugerufen. Mehrere der Feinde umstanden den edlen
Mann, der mit heitern: Gesicht, den Blick gen Himmel gerichtet,
dalag, und fragten ihn, ob er einen Beichtiger verlange? Da er
dies, so wie die Anrufung der Heiligen, die man ihm zumuthete,
ablehnte, rief ihm der Hauptmann Vockinger aus Unterwalden
zu: „So mußt du sterben, du hartnäckiger Ketzer!" und durch-
stach sein treues Herz. Erst nach der That erkannte man ihn,
und nun strömten auf die Nachricht, der Ketzer Zwingli liege
draußen erschlagen, Unzählige herbei und starrten mit wahrer
Schadenfreude die Leiche des braven Mannes an. Nur ein Ein-
ziger zeigte Gefühl, ein Conventual; ihm traten die Thränen
in die-Augen und gerührt sprach er: „Welches auch dein Glaube
gewesen ist, ich weiß, daß du ein frommer Eidgenosse warst.
Gott sei deiner Seele gnädig!" Der Leichnam wurde noch an
demselben Tage geviertheilt und verbrannt; aber sein Andenken
und seine Lehre vermochten seine Feinde nicht zu tilgen.*) Anna
Reinhard, Zwingli's Wittwe, war eine der wackersten Frauen
ihrer Zeit. Sie verband mit seltener weiblicher Anmuth ein
edles, feinfühlendes Gemüth. Ihren ersten Mann verlor sie
früh. Sie lebte als Wittwe mit ihren Kindern sehr eingezogen
*) An der Stelle, wo er gefallen ist,' steht ein Denkstein, dich: an der
Landstraße.