1857 -
Koblenz
: Baedeker
- Autor: Cremans, Hubert, Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule, Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die deutsche Litteratur.
121
herrührende gothische Bibelübersetzung des Bischofs Ulfilas, theils
in poetischer Form, so zwei Evangelienharmonien, eine gereimte alt-
hochdeutsche (der „Krist" vom Weißenburger Mönch Otfricd) und
eine niederdeutsche (der „Heliand" von unbekanntem Verfasser). —
Um die Mitte des 12. Jahrh. begann eine Umgestaltung der deut-
schen Nationaldichtung durch a) den Gebrauch der mittelhochdeutschen
Sprache, d) die allgemeinere Einführung des Reims statt der bloßen
Allitteration, e) die größere Mannigfaltigkeit des Inhaltes. Ihre
erste Blüteperiode erlebte die deutsche Dichtkunst im Zeitalter der
Hohenstaufen, und zwar sowohl die epische als die lyrische. Jene
behandelte theils die in zahlreichen Liedern im Munde des Volkes
fortlebende deutsche Heldensage, indem diese Lieder gesammelt und
vermittelst Einschiebung größerer oder kleinerer Verbindungslieder zu
größern Gedichten, wie „der Nibelungen Noth", „Gudrun" u. s. w.
vereinigt wurden, theils fremde Sagen, sowohl antike (vom trojani-
schen Krieg, von Aeneas, von Alexander dem Gr.), als mittelalter-
liche (vom h. Gral, vom britischen Könige Artus und seiner Tafel-
runde, beide vereinigt im „Parzival" des Wolfram von Eschenbach),
in umfangreicherer Darstellung, daneben aber auch kürzere Stoffe,
sowohl religiöse (Legenden) als weltliche (poetische Erzählungen).
Die Hauptgattung der lyrischen Poesie war der Minnesang (nicht
bloß Liebeslieder, sondern auch politische und religiöse Lieder), wel-
cher vorzüglich im südlichen Deutschland in den höhern Kreisen des
Lebens, auf den Burgen der Fürsten und des Adels und von diesen
selbst (Kaiser Heinrich Vi., Heinrich von Veldeke, Walther von der
Vogelweide u. s. w.) ausgeübt wurde, während das Volk sich au
den epischen Heldenliedern der „fahrenden Sänger" ergötzte, die von
Stadt zu Stadt, auch wohl von Dorf zu Dorf zogen und um be-
scheidenen Lohn sangen.
Einen schroffen Gegensatz zu dieser mehr als hundertjährigen
(1190—1300) Blüte unserer Nationalpoesie bildet der Verfall
derselben in dem 14. und 15. Jahrh. Das Epos beschränkte sich
in dieser Zeit fast auf geistlose Ueberarbeitungen früherer Darstellun-
gen der deutschen Heldensage und zwar nicht der altern und bessern
Dichtungen, sondern der jüngern und schwächer« (das „Heldenbuch").
Die lyrische Dichtkunst gerieth aus den Händen der Fürsten und
Ritter, die seit dem Untergange der Hohenstaufen mehr auf mate-
riellen Erwerb, als auf poetischen Genuß bedacht und in steten Feh-
den begriffen waren, in die Hände der Handwerker, welche in ihren