1869 -
Freiburg
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Mwmwv
120 Das römische Kaiserthum. Von Augustus bis Romulus Augustulus.
selbst gestattete, daß die verfeindeten Bewohner nachbarlicher Gegenden
einander bekriegten und beraubten, wenn sie dem Statthalter einen Theil
der gemachten Beute abgaben. Bei eitler solchen Negierung konnte es
nicht fehlen, daß sich Diebs- und M örd erb and eu sammelten und das
Land von ihnen wimmelte. Gleichzeitig herrschte eine große religiöse
Aufregung; die Predigten des Täufers Johannes, die Erscheinung Christi,
die Wirksamkeit der Apostel und Jünger wiesen das Volk auf den durch
die Propheten des alten Bundes verheißenen Messias hin, aber nur we-
nige hatten ihn erkannt, als er unter ihnen wandelte, und waren ihm
nachgefolgt; die zelotische Partei der Pharisäer und die Volksmasse stießen
ihn zurück und glaubten den vielen falschen Propheten, welche die nahe
Ankunft des Messias als eines Kriegsfürsten ankündigten, der mit wun-
dervoller Macht alle Völker besiegen und sie den Juden unterthänig machen
werde.
Durch unerträglichen Druck zur Verzweiflung gebracht und von fana-
tischer Zuversicht auf die Ankunft des Messias begeistert, empörte sich
das gemeine Volk in Jerusalem und tödtete die römische Besatzung;
der Statthalter von Syrien, Ceftius Gallus, eilte mit einer schwachen
Macht herbei, eroberte auch einen Theil von Jerusalem, wurde aber zuletzt
doch mit großem Verluste in die Flucht geschlagen. Nun erhob sich
ganz Palästina, denn das Volk sah in dem Siege über Cestius den
Finger Gottes, der seinem Volke helfe, und zugleich wurde es zur Rache
entflammt, denn die Heiden hatten in den Städten Syriens und Aegyptens
viel tausend Juden, die sich dort schon längst zahlreich niedergelassen hat-
ten, auf das grausamste ermordet.
Nero übertrug den Oberbefehl gegen die Juden dem tüchtigen
Feldherrn Vespasiau, welcher den Krieg von der Festung Akko aus er-
öffnete. Die leichtbewaffneten Juden, welche überdies ohne Reiterei waren,
vermochten im offenen Felde keinen Angriff der Römer auszuhalten, da-
gegen vertheidigten sie die befestigten Orte mit der größten Ausdauer.
Die Römer machten alle wehrbare Mannschaft nieder, verkauften die wehr-
losen Gefangenen, vernichteten Städte und Dörfer, und als Vespasiau,
nachdem er binnen zwei Jähren das Zerstörungswerk in Nordpalästina zu
Ende gebracht hatte, zum Kaiser ausgerufen wurde, überließ er die Führung
des Krieges feinem Sohne Titus und begab sich nach Nom.
Titus zog im Frühjahre (70 n. Ehr.) langsam gegen Jerusalem,
wo sich eine ungeheuere Menschenmenge angesammelt hatte und nach langen
blutigen Parteikämpfen die wilden „Zeloten" Meister waren. Am 7. Mai
begann Titus mit vier Legionen und zahlreichen Hilfstrnppen die Belage-
rung, indem er die ganze Stadt ringsum mit einem Walle ein schloß.
Die äußerste Mauer der Stadt war bald durchbrochen und eingenommen,
worauf die Belagerungsarbeiten und Stürme gegen den Tempelberg und
Zion begannen. Die Burg Antonia, von Herodes erbaut, welche die
zugängliche Seite des Tempels deckte, wurde mit unsäglicher Mühe und
manchem Verluste erobert, denn die Juden verachteten ihr Leben, wenn
sie den Römern schaden konnten. In der Stadt wüthete bereits eine
Huugersnoth, die mit jedem Tage schrecklicher wurde; nach dem jüdi-
schen Geschichtschreiber und Augenzeugen Josephus wurden bei einem einzi-
gen Thore bis zum 1. Juli 115,000 Leichen hinausgeworfen! Dennoch
ermattete der Widerstand nicht und vergebens bot Titus Gnade an, wenn
sich die Juden ergeben würden. Endlich bestürmte Titus die Außen-