1867 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Alexander der Große.
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flüssen (jetzt das Land der Seihks), seinen Marsch auf und jen-
seits stand jederzeit ein drohender Feind, den Uebergang zu ver-
wehren. Näherte man sich einer Stadt, so mußte diese erst be-
lagert werden, ehe man weiter konnte, und solche Belagerung
kostete oft Wochen, ja Monate. Wahrlich, der Geduldigste hätte
hier die Geduld verloren — nur Alexander nicht. Jede Schwierig-
keit steigerte seine Begierde, bis an den Ocean zu kommen; denn
diesen vermuthete er gleich hinter Indien. Das Volk, welches
er hier fand, war ein sanftes, gutartiges Geschlecht und seine
Fürsten benahmen sich mit Würde und Verstand. Als Alexander
in die Gegend einer großen Stadt, Nysa, kam, konnte man nicht
heran, weil der Fluß dazwischen fluthete. Eine Weile sah Alexander
nachdenkend in den Fluß und rief schmerzhaft aus: „Warum habe
ich Unglücklicher doch nicht schwimmen gelernt !" — Plötzlich nahm
er seinen Schild, stürzte sich ins Wasser und schwamm auf ihm
hinüber. Die Einwohner, die seine wilde Kühnheit sahen, ver-
zweifelten an einem glücklichen Erfolg ihrer Gegenwehr und
schickten Abgesandte zu ihm ins Lager, die einen Vergleich an-
bieten mußten. Sie fanden ihn ohne allen königlichen Schmuck,
ganz mit Staub und Schweiß bedeckt und völlig bewaffnet; sie
konnten ihr Erstaunen darüber nicht bergen. Ihre Fürsten,
meinten sie, ließen sich nie anders als prächtig geschmückt sehen.
Alexander empfing sie stehend — auch etwas bei ihnen Unerhörtes;
und da einer von ihnen ein sehr alter Mann war, so befahl er
ein Polster zu bringen und es demselben unterzulegen. Der
Greis war über diese Freundlichkeit betreten und fragte ängstlich
nach den Bedingungen des Vertrags. „Sie sollen dich", antwor-
tete Alexander, „zu ihrem Fürsten machen und hundert ihrer
besten Männer mir zu Geißeln geben." — Der Gesandte lächelte.
„Höre," sagte er, „ich würde besser regieren, wenn ich dir nicht
die besten, sondern die schlechtesten Bürger schicken dürfte." —
Alexander freute sich über die verständige Antwort und war mit
wenigen Geißeln zufrieden.
Dann kam ihm ein anderer indischer Fürst, einer der mäch-
tigsten, Taxiles mit Namen, entgegen. „Wozu, Alexander,"
redete er ihn an: „wozu haben wir erst nöthig, uns zu bekriegen,
wenn du nicht kommst, uns das Wasser und die nöthigsten Lebens-
bedürfniffe zu nehmen; denn nur darum sollten verständige Menschen
sich streiten. Habe ich mehr Geld und Gut als du, so bin ich
gern bereit dir einen Theil davon abzugeben; habe ich dagegen
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