1867 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Hermannsschlacht. Germanicus. Thusnelda.
295
sich erbarmen wolle. Geschwind wurde Tiberius mit einem Heere
nach dem Rheine gesandt, um den Andrang der Deutschen auf-
zuhalten. Aber wie wunderte sich dieser, als er da Alles ruhig
fand. Die Deutschen wollten nichts erobern, sondern waren zu-
frieden, ihr Land von fremder Willkür befreit zu haben.
Diesem Siege des Armin verdanken wir, daß wir
Deutsche sind, deutsche Sitten, deutschen Sinn und
deutsche Sprache haben. Hätten die Römer die Herrschaft
über Deutschland behalten, so wären wir ein so gemischtes Volk
wie Franzosen, Spanier und Italiener, und eben so würde unsere
Sprache dann ein Gemisch der lateinischen und der einheimischen
Mundart sein. Armin hatte späterhin das Unglück, seine geliebte
Thusnelda zu verlieren. Sie wurde einst mit ihrem Manne von
dem heimtückischen Segest überfallen und gefangen gesetzt. Segest
trennte sie von Armin, den er in einem andern Kerker verwahrte.
Erst als des Drusus Sohn, Germanicus, einen Einfall in
Deutschland unternahm, mußte Segest auf das Andringen des
Volks seinen Schwiegersohn freigeben. Nicht so die unglückliche
Thusnelda. Sie blieb die Gefangene ihres Vaters, bis Germa-
nicus nach der Feste kam, in welcher sie verwahrt wurde. Nun
war sie eine Gefangene der Römer. Was mußte das arme Weib
empfinden in den Händen des Volks'zu sein, das sie und ihr
Mann so tief haßten! Ohne Thränen starrte ihr Auge zur Erde;
der Einzige, der sie retten konnte, war entfernt. Germanicus
führte sie fort über den Rhein. Als Armin das Schicksal seines
Weibes erfuhr, gab er sich seinem Schmerze ganz hin. Er durch-
rannte das Land der Cherusker. „Zu den Waffen!" rief er, „zu
den Waffen! O des trefflichen Vaters, der sein eigenes Kind ver-
räth! O des großen Feldherrn, der gegen schwache Weiber Krieg
führt! Darum also mußte er mit einem mächtigen Heere herbei-
ziehen, um ein wehrloses Weib zu fangen? Erhebt euch, ihr
Cherusker, in eurer Stärke, und folgt mir, dem Feldherrn des
Ruhms und der Freiheit!" Wohl wurden die Römer abermals
aus Deutschland hinausgeworfen, aber Thusnelda blieb gefangen.
Als Germanicus in Rom im Triumph einzog, wurde auch sie
mit ihrem noch nicht dreijährigen Knaben vor dem Wagen des
Siegers unter den übrigen Gefangenen aufgeführt. Keiner zog
so wie sie die Blicke aller Zuschauer auf sich, unter denen auch
ihr Vater Segest zu stehen sich nicht entblödete. Ueber ihr und
ihres Knaben weiteres Schicksal schweigt die Geschichte. Auch