1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
16 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
gleiche Recht einräumen; auch die Gräuel der indischen Götterfeste,
Selbstmorde und Unzucht werden nicht gehindert, und nur gegen den
Gebrauch, daß indische Weiber sich über dem Grabe ihres Mannes selbst
verbrennen, ist die britische Negierung eingeschritten. Sie unterstützt die
Missionen, welche von den vielnamigen protestantischen Parteien mit einem
erstaunlichen Auswande von Geldmitteln betrieben werden, aber einen
sehr geringen Erfolg haben, mehr indem sie dieselben gewähren läßt, als
durch Geldopfer und keineswegs durch Beschränkung der Thätigkeit der Bra-
minen, Fakire und der mohammedanischen Eiferer. Daneben verarmt das
an edlen Metallen und Naturerzeugnissen so reiche Indien mit jedem
Jahre zusehends, weil die wohlfeilen Arbeiten der englischen Fabriken das
Gewerbe des Hindu, welches er ohne Hilfe von Maschinen, allein oder nur
mit seiner Familie betreibt, zu Grunde richten, so daß die edlen Metalle
für englische Fabrikate massenhaft an die Themse wandern, ohne daß durch
den Verkauf der Naturerzeugnisse Indiens das Gleichgewicht hergestellt
würde. Das braminische Volk ist keine Nation mehr, es besteht nock-
unter den Nationen unserer Tage wie unter den Bauwerken eine Ruine,
aus welcher die Wissenschaft eine Kunde über alte Zeiten zu gewinnen
bemüht ist. Die im Volksmunde erloschene Sprache, in welcher die
heiligen Bücher der Braminen geschrieben sind, das Sanskrit, beschäftigt
vorzugsweise die Sprachforschung, und der Fleiß und Scharfsinn deutscher
Gelehrten hat hierin das Ausgezeichnetste geleistet. Das Sanskrit über-
trifft an Wohlklang und innerer Entwicklung alle anderen Sprachen,
und ist also für sich allein schon ein vollgiltiger Beweis, auf welch' hoher
Stufe geistiger Ausbildung das Volk der Hindu vor seiner geschichtlichen
Zeit stand. Das Sanskrit zeigt sich mit den edelsten Sprachen in-
nig verwandt, z B. mit der altpersischen, griechischen, lateinischen und
unserer deutschen. Als Töchter einer gemeinschaftlichen Mutter bilden
sie den sogenannten indogermanischen Sprachstamm, und beweisen uns,
daß auch diese Völkersamilien einem und demselben Urstamme entsprossen
sind. Alle diese Sprachen benennen nicht bloß Theile des Körpers, son-
dern auch den Acker, gezähmte Thiere, die Geschäfte des Ackerbaues
und der Viehzucht ganz ähnlich, oder die Benennungen sind, wenn auch
verschieden, doch aus einer gemeinschaftlichen Wurzel genommen; außer
den Zahlen sind auch eine Menge Abstrakten gemeinschaftlich in der Form
von Verben, Substantiven und Adjektiven. Daher dürfen wir mit der
größten Sicherheit schließen, daß der Stamm, von welchem diese ver-
schiedenen Völkerzweige ausgingen und die gemeinschaftliche Ursprache
in verschiedener Weise ausbildeten, schon eine hohe Stufe der Kultur
erstiegen hatte, denn bei wilden Volksstämmen finden wir nimmermehr
eine solche Sprache. Für diese uralte Bildung spricht auch der Ackerbau
der Hindu, ihre Gartenkunst, und besonders die Geschicklichkeit, mit welcher