1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Perikles.
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Allerdings fiel der Glanz der öffentlichen Werke auch auf jeden einzelnen
Bürger zurück, und der Gemeingeist, der sich in ihnen offenbarte, mußte
den Ruhm des athenischen Volkes über ganz Griechenland verbreiten;
aber dies allein hätte doch wohl nicht hingereicht, den gemeinen Athener
vergessen zu machen, daß diese ungeheuren Summen in seine Hände
kamen, wenn er nur ernsthaft wollte, es ist nur erklärlich aus dem Kunst-
sinne, welcher das ganze Volk durchdrang und von Perikles genährt
wurde. So war Perikles zwar nicht der Schöpfer, aber doch der
hauptsächlichste Beförderer der griechischen Kunst, daher diese unter ihm
ihr goldenes Zeitalter hatte. Athen wurde durch ihn eine wahre Pflanz-
schule der Kunst, die sich in rascher Entfaltung über andere griechische
Städte verbreitete; athenische Künstler wurden in andere Städte berufen,
so war z. B. die Statue des Zeus im Tempel zu Olympia, welche im
Alterthume als das erhabenste Werk der Bildhauerei galt, ein Werk des
Phidias, und fremde Künstler wunderten nach Athen, um sich an den
dortigen Meisterstücken und in den dortigen Werkstätten auszubilden.
Es ist schon gesagt worden, daß Perikles Odeen und Theater baute,
Anstalten, welche für den Hellenen, namentlich den Athener, eine viel
größere Bedeutung hatten, als ihnen bei uns zukommt. Sie ergötzten
und unterhielten nicht allein das Volk, sie bildeten dasselbe auch in vielfacher
Beziehung. Die Gesänge waren von den ersten Dichtern, die miteinander
wetteiferten, geschaffen und von den besten Tonkünftlern mit Melodieen
versehen; das Gemeine und Mittelmäßige wurde da nicht geduldet oder
wagte sich gar nicht hervor. Der Gesang feierte die Götter, den Ruhm
der Stadt, die Thaten der Vorfahren aus der ältesten Zeit wie derer,
welche der Persermacht entgegengetreten waren; er erfreute nicht allein
durch kunstvolle Harmonie in Wort und Ton, sondern mahnte zugleich an
die waltenden höheren Mächte, erinnerte an die Väter, deren Erbe nun
die Enkel beglückte, und spornte sie zu edler Nacheiferung. In Athen er-
standen auch die größten Meister der tragischen Kunst: Aeschylus, Sophokles
und Euripides. Aeschylus focht tapfer in der salaminischen Schlacht, So-
phokles führte als einer der schönsten Jünglinge den Siegesreigen an und
Euripides erblickte das Licht der Welt an jenem großen Tage. Diese Tra-
giker waren für die Griechen in mancher Hinsicht die Nachfolger des Homer,
indem sie ihre Stoffe aus diesem und der alten Heldensage schöpften und
gleich den homerischen Gesängen die Furcht vor der waltenden Macht der
Götter lehrten, vor Uebermuth warnten, der dann zu Falle kommt, wenn
er am sichersten zu stehen wähnt. Frömmigkeit, edle Sitte, ehrfurchts-
volles und dankbares Andenken an die Vorfahren, geheiligte Liebe zu
der Vaterstadt — fanden in diesen Tragikern, besonders in dem weisen
und erhabenen Sophokles, nicht minder ausgezeichnete Herolde, als der
alten Heldentugend in Homer zu Theil geworden war. In dem athenischen