1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
164 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
hole und symbolischen Darstellungen zur Göttergeschichte. Die griechi-
schen Denker erkannten es, daß die Religionen der Aegypter, Baby-
lonier u. s. w. die Bilder waren, in welchen sich die Gedanken der
Völker über die Entstehung der Welt und deren Erhaltung, über die Be-
stimmung des Menschen und sein Verhältniß zu den höheren Mächten
aussprachen. Diese Bilder erhielten ihre vollendete Fassung und Ordnung
durch die Priester, welche bei den alten Völkern einen abgeschlossenen
Stand ausmachten; deßwegen konnten diese Priesterschaften eine Ge-
heimlehre sür sich haben, eine andere öffentliche aber verkünden, ohne
daß beide einander widersprochen hätten; die öffentliche stellte eben den
religiösen Begriff sinnlich dar in einer Mythe, einem Symbole, die
Geheimlehre aber deutete das Bild. Dem Griechen zog keine Priester-
schaft Schranken, ihm waren die Lehren derselben keine heiligen Ueber-
lieferungen, sondern eine Reihe uralter Vorstellungen darüber, wie
die Welt entstanden ist, besteht und vergeht; er nahm sich deßwegen
die Freiheit, über diese Räthsel selbst nachzudenken und den Versuch
ihrer Lösung ohne Rücksicht auf fremde und hellenische Religionssysteme
anzustellen. Einige dieser Denker fanden ihre Ergebnisse im Einklänge
mit den religiösen Mythen oder deuteten diese so, daß sie mit ihren
Meinungen oder Lehren harmonierten, andere hingegen mußten die Re-
ligion ganz bei Seite lassen, wenn sie nicht mit ihr in Widerspruch ge-
rathen wollten. Die Wirkung aber blieb dieselbe: die griechische Phi-
losophie ruinirte die griechische Volksreligion, den alten Glauben.
Die älteste Philosophenschule war die jonische und ihr Begründer,
Thaleö ans Milet, ein älterer Zeitgenosse des Solon; nach ihm ist das
Wasser der Urstoff aller Dinge, die sich aus demselben durch Verdichtung
oder Verdünnung gebildet haben und noch bilden. Sein Landsmann
Anarimenes überwies dieselbe Rolle der Luft, Pherekydes dem Aether
und der Erde, Heraklit dem Feuer. Anarimander und Demokrit (aus
Abdera) nahmen einen leeren Raum an und in diesem einfache Urkörper,
Atome, deren Bewegung und Vereinigung nach unwandelbaren Ge-
setzen geschehe, und nach welchen auch wieder ihre Auflösung und
Trennung erfolge. Nach solcher Lehre hat also nichts in der Welt
Bestand, nichts einen andern Werth als einen augenblicklichen; sie
mußte sehr gefährlich werden, wenn sie irgendwo Eingang fand, denn
daß die Götter neben den Atomen keinen Platz haben, mußte jedem
einigermaßen denkenden Kopfe bald klar werden. Anaragoras aus
Klazomenä vervollkommnete diese Lehre, indem er die Atome mit be-
stimmten Eigenschaften begabte, sie aber von einer höchsten Vernunft
bewegen läßt, welche alles weiß und kann. Anaragoras hielt sich
größtentheilö in Athen auf und war ein Freund des Perikles. Das
Volk hörte aber, daß der Philosoph die Sonne eine feurige Masse