1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Tiberius und Kajus Gracchus. 275
Hause zu Aemtern gelangte; ein solcher (homo novus) galt ihnen als
kecker Eindringling. Ohnedies konnte ein armer Mann kaum mehr zu
Aemtern gelangen; seit dem ersten punischen Kriege mußten die Aedilen
die Festspiele selbst bezahlen und da die Kosten sich sehr hoch beliefen, so
war für alle weniger Begüterte eine Schranke vor den Staatsämtern
aufgerichtet. Die Nobiles aus den plebejischen Familien kümmerten sich
so wenig um das licinische Ackergesetz als die aus den patricischen,
sie okkupierten wie diese und kauften die kleinen Güter zusammen, um
daraus ein großes Familiengut zu bilden. In Rom stehen also nicht
mehr Patricier und Plebejer einander gegenüber, sondern das gemeine
und arme Volk den reichen Familien der Nobiles. Armes Volk gab
es nach den großen Kriegen in Nom so gut als vor denselben, ja
noch mehr, denn die Kriegsbeute macht den gemeinen Soldaten nie
reich, wohl aber verschwenderisch, und wenn er aus einem vieljährigen
Kriegsleben zurückkommt, so befreundet er sich selten mehr mit den
Geschäften des Landbaues und der Werkstätte. Das gemeine Volk hatte
sich aber verändert wie das vornehme; der gemeine Soldat hatte in
Asien und Griechenland gelernt wie der Feldherr, und er trat ungerne
in das armselige Plebejerleben zurück. Er hielt sich lieber in der Stadt
auf als auf dem Lande, und in die Stadt strömten auch diejenigen, die
ihr kleines Gut verkauften oder verloren, denn in der Stadt gab es
Verdienst, gab es Versammlungen, Festspiele und — Spenden. Die
Herren nämlich, welche Aemter suchten , erhielten dieselben durch das
Stimmenmehr der Bürgerschaft, und von dieser bildete das gemeine
Volk einen beträchtlichen Theil; diesem machte man nun Geschenke, theilte
Geld oder Lebensmittel aus oder bereitete ihm Freude durch Schauspiele
nach seinem Geschmacke. Und gerade bei der müßigen Bevölkerung der
Stadt griff der Gedanke die tiefsten Wurzeln, daß der Römer zu etwas
Besserem da sei, als daß er den Karst und das Grabscheit zur Hand
nehme, wenn er eben das Schwert weggelegt habe. Das ging noch an,
so lange man mit den hartnäckigen Sabinern und Galliern kämpfte und
auf italienischem Boden stand, aber seit alle Länder ringsum zinsbar
wurden, schien es dem gemeinen Manne billig, daß er auf Kosten der
eroberten Welt erhalten werde und die Unterworfenen für ihn ar-
beiteten. So verlangte das gemeine Volk seinen Antheil an der großen
Beute und um so heftiger, je mehr es den Reichthum und die Pracht
der Vornehmen anschwellen sah; je mehr diese die alte einfache Sitte
verließen, um so weniger hielt auch das Volk in der Stadt an derselben
fest, denn das Beispiel der Vornehmen reißt die Gemeinen immer mit
sich fort, und wenn sie ihnen nicht nachmachen können, so greifen Un-
zufriedenheit, Neid und Zorn um sich. Das gemeine Volk war damit
nicht zufrieden, wenn es bald von dieser, bald von jener vornehmen
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