1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Das Reich der Cäsaren.
Kriege brachte Marcellus aus dem eroberten Syrakus eine Menge Kunst-
werke nach Rom, und wenn der Zerstörer Korinths, Mummius, den
Werth der Bilder aus Stein und Erz nicht besser zu tarircn wußte
als ein marsischer oder umbrischer Soldat, so schickte er doch einen tüch-
tigen Transport derselben nach Rom, wo es also Leute geben mußte,
welche auf solche Sachen einen sehr hohen Werth legten. Es ist wirk-
lich überraschend, wie schnell die gebildeten oder vornehmen Römer Kunst-
freunde und Kunstkenner wurden; schon zur Zeit des Sulla gehörten
Kunstwerke griechischer Meister zu den begehrtesten Schätzen, und Verres,
der Erpresser in Sicilien, welchen Cicero anklagte, griff nach ihnen mit
gleicher Gier wie nach den edeln Metallen. Durch die Statthalter in
den griechischen Provinzen wurden vielleicht ebenso viele Meisterwerke
den Eigenthümern weggeuommen oder abgezwungen, als durch Eroberung
und Kauf nach Rom kamen. Denn eigentliche Künstler wurden die
Römer nie; in den guten Zeiten der Republik nahm die Sorge für
Staat und Stand Patricier und Plebejer in Krieg und Frieden, letztere
auch die Anstrengung für ihr Hauswesen zu sehr in Anspruch, als daß
sie mit der Kunst sich hätten befreunden können; zudem hatte keines
der italienischen Völker, mit welchen die Römer zu thun bekamen, selbst
die Tusker nicht ausgenommen, sich in jenen Richtungen so weit ent-
wickelt, um den stahlharten politischen Geist der Römer dadurch zu
mildern; sie lernten von den Tuskern wahrscheinlich in der Baukunst,
welche durch ihren unmittelbaren Nutzen dem praktischen Römer'zusagte
und die er großartig weiter bildete, ebenso in den Geschäften des Feld-
baues, in welchen die Tusker Meister waren. Als durch die Schätze
Asiens die römischen Patricier sich von der einfachen und strengen Lebens-
weise ihrer Vorfahren abbringen ließen, so gewannen sie gleichzeitig
Geschmack an der griechischen Kunst und eigneten sich deren Schätze an,
wie sie die Neichthümer der Provinzen ausbeuteten. Vornehme Kunst-
freunde und Kunstkenner gab es bald in Menge, aber der römische Adel
erzeugte keine Künstler aus seiner Mitte (wie der Adel überhaupt nie;
sein Element ist Krieg und Politik, und entzieht er sich diesen, so stirbt
er ab), die römische Plebs wurde aber nur roher, begehrlicher und
niederträchtiger; sie verachtete den Stand des Handwerkers, aus dem
der Künstler erwächst, und suchte ihre Freude bei den Nennspielen,
Thier- und Gladiatorenkämpfen u. s. w., für welche der Staat oder
die Vornehmen sorgten. Das Meiste noch wirkte die griechische Kunst
auf den Handwerkerstand in den Provinzen; die verschiedenen Geräthe,
sowohl die zum Schmucke als die zu dem Bedarf und der Bequemlichkeit
des Hauses gehörigen, wurden bei den Römern ebenso zweckmäßig als
schön gearbeitet, wofür die Ausgrabungen in Pompeji das vollkommenste
Zeugniß ablegen.