1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Das Reich der Cäsaren.
Sie überbot Ovidius Naso aus Sulmo im Pelignerlande; Augustus
strafte den bereits bejahrten Dichter, als sich in der kaiserlichen Familie
das von Ovid besungene und gelehrte Nebel zum allgemeinen Aerger-
nisse kund gab, mit Verbannung nach Tomi am schwarzen Meere, in
sarmatischer Nachbarschaft; von dorther jammerte der Dichter vergebens
zum Cäsar um Gnade, er mußte dort sterben. Hingegen ehrte Augnstuö
den Q. Horatius Flakkus (wie Virgil war dieser ein Schützling des
Mäcenas und wurde selbst der Freund dieses großen Staatsmannes)
von Venusta, dessen Vater der Sohn eines Freigelassenen gewesen. Dem
Horatius gebührt unter den römischen Dichtern die Palme; in seinen
Oden kehrt er freilich vielfach beutebeladen von seinem Ausfluge in die
griechischen Blütenfelder zurück (dies hielten die Römer für kein Unrecht;
wie sie Länder und Städte mit ihren Kunstschätzen eroberten, so eigneten
sich ihre Dichter und Schriftsteller auch auf ihrem Gebiete die fremden
Schätze an), daneben schwebt er aber oft auf den Schwingen seines
eigenen Genius und ist namentlich, wenn sein Lied das alte Römerthum
berührt, ein ächter Römer. Unübertrefflich und originell sind seine Epi-
steln und Satiren, die uns tiefe Blicke in die gesellschaftlichen Zustände
des damaligen Roms gewähren und jene Philosophie entwickeln, welche für
einen gebildeten Römer die einzig mögliche war, wenn er nicht mit sich
selbst zerfallen oder gegen die Gewalt des Cäsars ankämpfen und ver-
nichtet sein wollte. Zn der Tragödie haben die Römer so viel als
nichts geleistet; ihre Vorzeit war ihnen keine mythische, denn selbst Ro-
mulus und Numa Pompilius waren ihnen scharf ausgeprägte politische
Charaktere, große Staatsmänner, und der Römer erlaubte es dem Dichter
noch weniger als der Grieche in das eigentliche Gebiet der Geschichte
einzugreifen, den geschichtlichen Charakter der handelnden Personen, die
Beweggründe ihrer Handlungen und diese selbst in einem andern Lichte
erscheinen zu lassen, als geschichtlich beglaubigt war. Daher entzog sich
das Drama der Geschichte und waltete nur auf dem Gebiete der Mythe,
welches dem Römer zu beschränkt und unfruchtbar erschien. Dagegen
war ihnen die Komödie eine Lieblingssache; ächt italienisch waren die
atellanischen Schwänke, die Stadt- und Landvolk ergötzten; eben so ist
der treffliche Plautus eine gesunde römische Natur, seine Komödien ent-
halten eine Fülle von Witz und seine Charaktere bezeugen durch „das
urkräftige Behagen", welches sie erregen, daß sie aus dem römischen
Leben gegriffen sind. Attisch fein und größtentheils nach griechischem
Muster schaffend ist Terentius Afer, der als panischer Sklave nach
Rom kam und daselbst als Freigelassener und Freund des jüngern
Scipio lebte; er arbeitete für den feineren Geschmack der griechisch
gebildeten vornehmen Welt und gesiel dem großen Publikum nicht ganz.
Ausgezeichnete Redner besaßen die Römer in Menge; wie konnte