1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Die Erfüllung der Zeit.
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erlegt, daß sie alle Völker unterjocht und vernichtet hatten (gerade diese
Unterjochung und Vernichtung galt als die schönste Vätertugend); davon
aber, daß mit der Vernichtung des alten Nömerthums eine neue Zeit
für die Menschheit beginne, besaßen sie auch keine Ahnung; Rom war
ihnen ewig, Rom das Menschengeschlecht, Rom die Welt. So wenig
aber als die Ehre und die Tugend der Väter unter dem Cäsarenthume
Platz fanden, so wenig blieb den Nachkommen die Religion ihrer Väter,
auch die römischen Götter mußten neuen Göttern weichen. Mit der
Welt eroberten die Römer auch die Götter der Welt; wie sie von Veji
die Juno nach Nom gebracht hatten, so holten sie aus Asien die Kybele,
aus Aegypten den Serapis und die Isis, aus Griechenland den Diony-
sos, aus dem Morgenlande den Mithras. Die vejentische Inno gehörte
wenigstens in den Kreis der römischen Götter, die fremden Gottheiten
dagegen blieben den römischen fremd und verlangten fremde Kulte;
dadurch wurden die fremden „superstitiones“, gegen welche der alte
Senat so manches scharfe Dekret geschleudert hatte, in Rom einheimisch
und diese zersprengten vollends die römische Religion und die römische
Sitte, wenn die Gewöhnung an die fremden Lüste von ihr noch etwas
übrig gelassen hatte. In den Geheimdiensten der Isis, des Dionysos u. s. w.
mochte der Aberglaube eine Zufluchtstätte finden, der gebildete Römer sah
in diesen neuen Religionen aber nur eine Wiederholung des alten politischen
Spieles, und zwar eine schlechte, denn die griechische Philosophie, seine
Bekanntschaft mit den verschiedenen Religionen des Morgen- und Abend-
landes nicht minder, bewiesen ihm zu klar, daß die Religionen der
Völker nur Mythen seien, in welche Völker, Priester und Staatsmänner
ihre Meinungen und Ahnungen von dem Dasein höherer Mächte, ihre
Furcht und Hoffnung für Gegenwart und Zukunft gefaßt hatten, durch
welche sie die Einrichtungen des Staates, der Familie, das gesammte
Leben mit einer heiligen Schutzmauer gegen die Gewalt der wechselnden
Leidenschaften hatten umgeben wollen. Die römische Religion war zer-
brochen, was sollten die fremden Religionen dem Römerthume nützen,
der pontisch-ägyptische Serapis, die ägyptische Isis, der persische Mi-
thras, nachdem der kapitolinische Jupiter, die Stammväter Mars und
Quirinus Roms Schicksal nicht gehindert hatten? Auch die Juden, die
in allen römischen Landen und Ortschaften zerstreut lebten, machten eifrig
Proselyten; der ächte Römer aber verachtete den schmutzigen, feindseligen
Juden in der Fremde, und das Treiben der Pharisäer mit ihren un-
endlichen Ceremonieen und ihrer Schaustellung wohlfeiler Frömmigkeit,
der Sadducäer mit ihrer kalten Leerheit, das blutige Wüthen dieser
Parteien gegeneinander, sobald sie nicht durch die Furcht vor einem
Mächtigen zurückgeschreckt wurden, die Gräuel in dem Königshause des
Herodes, waren dem Römer in der Regel so widerlich, "daß er es nicht