1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Das Reich der Cäsaren.
unterwarf, wurde in dem Kreise des Gerichtes rechtlos und konnte un-
gestraft erschlagen werden. Versammlungsort des ganzen Stammes war
das gemeinsame Heiligthum, gewöhnlich ein Wald, wo jährliche Opfer
dargebracht wurden; während der Feftzeit herrschte allgemeiner Still-
stand der Waffen und der Gerichte.
Ein Krieg war entweder ein gemeinschaftlicher, d. h. der ganze
Stamm beschloß ihn und übertrug dessen Führung einem Herzoge, der aus
dem Adel zu diesem Amte erwählt wurde, oder er wurde von einem Herrn
auf eigene Faust unternommen und von ihm durch Freiwillige geführt.
Diese waren das Geleite (eowitatus); je reicher einer war, ein desto
größeres Geleite konnte er unterhalten, und je glücklicher seine Unterneh-
mungen ausschlugen, um so mehr eilten ihm freie Leute zu. Um die Gunst
solcher Geleitsherren bewarben sich daher benachbarte Fürsten und Völker
und ehrten sie durch Geschenke. Eroberte ein Geleitsherr einen Land-
strich, so verlieh er den Männern seines Gefolges einzelne Stücke von
demselben, wodurch diese aber zu seinem beständigen Geleite, d. h. seinem
Waffendienste verpflichtet wurden (Lehen).
Wahrscheinlich gab es schon bei den alten Germanen Abstufungen
der Freiheit und Leibeigenschaft. Die Leibeigenen der Germanen hatten
zwar kein Recht, doch lebten sie unter dem Schutze ihres Herrn er-
träglicher als die Sklaven der Griechen und Römer; sie hatten eigene
Wohnung und eigenes Hauswesen, wofür sie dem Herrn Abgaben von
Feldfrüchten, Vieh, sowie von den Erzeugnissen ihres rohen Gewerbs-
fleißes lieferten. Ob diese Leibeigenen wohl deutschen Stammes waren?
Theilweise scheint dies stattgefunden zu haben, denn die Römer erzählen
uns, daß einzelne Deutsche ihre Freiheit (und damit die ihrer unmün-
digen Familie) durch das Würfelspiel verloren, und daß ganze Stämme
von einander unterjocht wurden, in welchem Falle alles, was nicht er-
schlagen wurde, der Leibeigenschaft verfiel. Jedoch reichte dieser Erwerb
von Leibeigenen keineswegs hin, und wir müssen annehmen, daß die
meisten Leibeigenen nicht von germanischer Nationalität waren. Dies
Loos scheint vorzüglich die gallischen oder keltischen Stämme getroffen
zu haben, welche vor den Germanen (und zwar noch in der historischen
Zeit) den größten Theil Deutschlands besetzt hatten. Dafür sprechen
die verschiedenen Benennungen der Leibeigenen, welche nachweisbar aus
der gallischen Sprache genommen sind, z. B. bei den Baiern „aldiones*»
Auch läßt es sich nur durch eine starke fremde Beimischung erklären,
weßhalb die Bevölkerung verschiedener deutscher Landstriche, in die niemals
eine fremde Einwanderung stattfand, so wenig von den physischen Merk-
malen an sich trägt, welche als eigenthümlich deutsche bezeichnet werden»
Wie uns die Römer die Lebensweise der Deutschen beschreiben, so
war diese eine barbarische und darum auch sehr einfache. „Die freien