1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Julian der Abtrünnige. Jodian.
375
unter der Gelehrtenwelt einen bedeutenden Anhang und berühmte Schulen
in Athen, Alexandrien, Pergamus, Nckomedia, wo sich auch Christen-
jünglinge in der Rhetorik und den Wissenschaften unterweisen ließen,
welche ein damaliger Rechtsgelehrter und Beamter erlernen mußte. Die
heidnischen Gelehrten freuten sich der Neigung, welche den Julian zu
dem verbotenen Genüsse der heidnischen Früchte trieb, in ihm schien ein
Stern der Hoffnung aufzugehen. Den Prinzen bezauberte die alte
klassische Welt, und jene Heiden, die Großes gethan hatten, wurden
seine Ideale; den ungeheuren Schatten der alten Größen aber sah er
nicht, weil sie nur von einem Standpunkte betrachtet und zu betrachten
gelehrt wurden und auch deßwegen, weil der politische Zustand seiner
Zeit jedenfalls unerfreulicher war als je ein vergangener. Die alte
Zeit, glaubte er mit Recht, sei durch den alten Glauben geschaffen
worden, und weil dieser verdorben und vernachläßigt wurde, sei auch
die alte Thatkraft versiegt und das Glück von den Römern gewichen.
Nun bewiesen ihm ferner die Philosophen, daß der klassische Glaube durch
ihre Vorgänger und sie selbst gründlich reformirt worden sei! Philosophie
und Religion seien nun in schönster Harmonie (die Neuplatoniker
leisteten in dieser Hinsicht sehr viel), die alten Mythen, deren Mißver-
ständniß im Munde der Dichter und im Volksglauben so viele Verständige
geärgert und zum Unglauben verleitet habe, hätten ihre Deutung ge-
funden, der Zwiespalt der verschiedenen Religionen, welcher die Welt
verwirrt und dem Juden- und Christenthum so vielen Vorschub gethan habe,
sei versöhnt, denn alle Religionen seien nur Bäche, die, aus einem Quelle
entsprungen, einen verschiedenen Lauf genommen hätten und von den Un-
kundigen als einander fremde Fluchen betrachtet worden wären. Julian,
der das Wesen des Christenthums niemals erfaßt hatte, verstand es
ebensowenig, das Neuheidenthum, die philosophische Vielgötterei, in ihrer
Blöße zu erkennen und sie von den Hüllen zu entkleiden, welche ihr die
Gelehrten mit Kunst und wissenschaftlichem Aufwand angelegt hatten.
Sein Ehrgeiz erblickte ein fast göttliches Werk in dem Unternehmen, den
alten Glauben in seiner geläuterten Gestalt wieder herzuftellen, die
Tempel wieder zu öffnen, die Opferflammen der Altäre wieder anzu-
fachen und das ganze Reich zu verjüngen. Er fiel frühzeitig insgeheim
von dem Christenthume ab, ließ sich in die Mysterien einweihen und
opferte den Göttern, während er öffentlich als Christ sich gebärdete. So
hielt er es auch als Cäsar in Gallien, und als Augustus betete er noch
an dem Tage Epiphania in der Kirche zu Vienne. Als er endlich die
Maske abwarf, gebot er allgemeine Religionsfreiheit, womit er aber
unter anderem die Absicht hatte, und so weit er konnte auch ausführte,
die Häresieen gegen die Kirche zu unterstützen; ebenso verbot er den christ-
lichen Lehrern der Rhetorik und Grammatik den Katheder, damit die