1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Gerichte.
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Eine Negierung im heutigen Sinne des Wortes übten die alten
Könige nicht; sie vertraten die Nation gegenüber dem Auslande, waren
die Oberfeldherren, in der heidnischen Zeit die Oberpriester, in der
christlichen die Schutzherren der Kirche, ferner die obersten Richter, ohne
daß jedoch ein gewöhnlicher Rechtsfall vor das königliche Gericht (curia
regis) gebracht werden mußte; über eine Person von hohem Adel
richtete nur der König mit Beiziehung der Standesgenossen oder in
der Nationalversammlung. In den Gesetzen und Einrichtungen konnte
ohne die Einwilligung der Freien durchaus nichts geändert werden.
So lange die Ausdehnung eines Königreichs unbedeutend war, also in
der alten Zeit, versammelte sich im März oder Mai das ganze freie
Volk vor dem Könige, oder es wurde auch außerordentlicher Weise zu-
sammenberufen, um über Krieg oder Frieden und andere Landesange-
legenheiten zu beschließen; in den großen Reichen war eine solche Volks-
versammlung nicht mehr möglich und sie verwandelte sich daher in eine
Versammlung der Adeligen oder Würdeträm (Reichstage). Je mehr
Adelige der König zu Lehensleuten hatte, um so eher konnte er hoffen
in der Versammlung seinen Willen durchzusetzen, und da die Adeligen
immer mit einem Gefolge von Dienstmannen erschienen, so waren solche
Versammlungen oft sehr stürmisch.
Das Land selbst war in Gaue (pagus) eingetheilt, woher noch
heute viele Landstriche Gaue heißen. Der Vorsteher eines Gaues wurde
von dem Könige ernannt und hieß Graf (ein Wort, das verschieden
gedeutet wird, jedenfalls nicht von „grau" abgeleitet werden darf); er
leitete die Gauv?rsammlung, das Gaugericht und führte die wehrbare
Mannschaft in den Krieg. Der Gau zerfiel wieder in Centen (Cen-
tena; Hundreden in oberdeutscher Sprache) von je 100 freien Höfen,
der Vorsteher hieß Oentenarius (Centgraf); diese Eintheilung scheint
jedoch nie ganz durchgeführt worden zu sein, denn es gab Gaue ohne
Centen und dann wieder Centen, die einen Gau ausmachten. Die un-
terste Abtheilung waren die Gemeinden, Genossenschaften mit abgegränz-
tem Grundeigenthum (Mark), welche Wald und Weide gemeinschaft-
lich nutzten, während der Ackerboden familienweise vertheilt war; der
Vorsteher einer Gemeinde heißt später Schultheiß (weil er Schulden,
die von dem Gerichte angesetzten Bußen und die Abgaben an den
König einzufordern, zu heischen hatte).
Gerichte.
Bei unfern Vorfahren gab nur die Freiheit Ehre und Recht auf
ächtes Grundeigenthum; der Unfreie konnte eben so wenig Grundeigen-
thum erwerben als sich selbst vor Gericht vertheidigen, daher sein Herr